VwGH: Strafvollzug durch elektronisch überwachten Hausarrest
Allgemeine Ausführungen
§ 156b StVG, § 156c StVG, § 206 StGB
GZ 2012/01/0123, 11.10.2012
Die Amtsbeschwerde macht geltend, die belangte Behörde habe nicht berücksichtigt, dass nach Äußerung der BEST der M zu einer Tätergruppe gehöre, von der nicht angenommen werden könne, dass keine Präferenzstörung iSe Pädosexualität vorliege. Der M sei ausgebildeter Pflegevater und habe als solcher naturgemäß Kontakt zu Kindern. Die offen dargestellte Vorliebe des M für Kinder (inklusive des Erlernens des Berufes des Pflegevaters) sei bei Vorliegen (möglicherweise unbewusster) pädosexueller Neigungen nach Äußerung der BEST ein Risikofaktor. Aus dem Bericht des Vereines NEUSTART Salzburg könne nicht ohne weiteres abgeleitet werden, dass der M tatsächlich die Verantwortung für seine Handlungen übernehme und bereit sei, sich mit diesen "Teilen seiner Persönlichkeit auseinanderzusetzen".
VwGH: Mit diesen Ausführungen zeigt die Amtsbeschwerde im Ergebnis eine mangelhaft begründete Prognosebeurteilung der belangten Behörde auf.
Wie der VwGH zum Vorliegen der Voraussetzungen des § 156c Abs 1 Z 4 StVG bereits wiederholt dargelegt hat, stellt die Einschätzung, ob die Gefahr besteht, der Verurteilte werde die Vollzugsform des elektronisch überwachten Hausarrests missbrauchen, eine Prognosebeurteilung dar, bei der vor dem Hintergrund der in den Gesetzesmaterialien genannten Aspekte auf die Wohnverhältnisse, das soziale Umfeld und allfällige Risikofaktoren abzustellen ist. Bei der Erstellung dieser Prognose besteht für die Strafvollzugsbehörden ein Beurteilungsspielraum, wobei die Entscheidung anhand der dargestellten Kriterien zu begründen ist.
Die belangte Behörde hat im Beschwerdefall die Grundlagen ihrer Prognosebeurteilung unzureichend erhoben und derart ihren Beurteilungsspielraum überschritten.
Insoweit die belangte Behörde den Annahmen der BEST, der M verleugne seine Taten und es bestehe keine Verantwortungsübernahme bei ihm, den Bericht von NEUSTART Salzburg (vom 26. April 2012) gegenüberstellte, ist zu erwidern, dass dieser Bericht keine diesen Annahmen der BEST widersprechende Ausführungen enthält, sondern "bezüglich einer eventuellen Rückfallgefahr auf das einzuholende Gutachten der BEST verwiesen wird". Auch hat die belangte Behörde unberücksichtigt gelassen, dass in dem genannten Bericht von NEUSTART Salzburg unter "Erhebungen zur Person" festgehalten wurde, M" bestreitet die Tat vehement; der Vorwurf sei allein darauf zurückzuführen, dass die Mutter des Opfers sich nach einem Konflikt mit Frau W an der ganzen Familie rächen wollte". In diesem Zusammenhang wurde auch nicht gewürdigt, dass im Bericht von NEUSTART Salzburg die Äußerung der Lebensgefährtin (W), die im gemeinsamen Haushalt wohnt und zum Vollzug durch EÜH die Einwilligung gab, festgehalten wurde, wonach W "von der Unschuld ihres Lebensgefährten überzeugt sei; andernfalls hätte sie ihn nach Bekanntwerden des Verdachtes verlassen". Die belangte Behörde hat den Bericht von NEUSTART Salzburg somit nur unvollständig berücksichtigt.
Der Argumentation der belangten Behörde zuwider mag der M sich zwar mit der Tatsache seiner Verurteilung abgefunden haben, er leugnet aber - wie das dem Bericht von NEUSTART Salzburg ausdrücklich zu entnehmen ist - seine Tat vehement. Entgegen der Würdigung der belangten Behörde werden die Annahmen der BEST durch den Bericht von NEUSTART Salzburg demnach bestätigt.
Zu dem von der BEST bei M konstatierten Risikofaktor einer "möglicherweise auch unbewussten pädosexuellen Neigung" und auch zu der Annahme der BEST, der M sei nicht in der Lage, sein eigenes Risiko zu erkennen, bzw entsprechende allfällige Wiederholungen mit tauglichen Mitteln zuvorzukommen, enthält der angefochtene Bescheid keine Begründung.