03.12.2012 Wirtschaftsrecht

OGH: Gerichtliche Abberufung von Stiftungsorganen und deren Mitgliedern – Antragslegitimation nach § 27 Abs 2 PSG einer Begünstigten, die aufgrund einer Änderung der Stiftungsurkunde, deren Wirksamkeit sie bestreitet, nicht mehr begünstigt sein soll?

§ 27 Abs 2 PSG ist dahin auszulegen, dass die dort statuierte Antragslegitimation auch ehemaligen aktuellen Begünstigten zukommt, soweit als Abberufungsgründe Gründe angeführt werden, die sich auf die Verletzung von Pflichten gegenüber dem Begünstigten beziehen


Schlagworte: Privatstiftungsrecht, Gerichtliche Abberufung von Stiftungsorganen und deren Mitgliedern, Änderung der Stiftungserklärung, ehemaliger aktueller Begünstigter, Antragslegitimation
Gesetze:

§ 27 PSG, § 33 PSG, § 5 PSG, § 2 AußStrG, § 15 FBG, § 9 AußStrG

GZ 6 Ob 157/12z, 15.10.2012

 

OGH: Nach § 27 Abs 2 PSG hat das Gericht ein Mitglied eines Stiftungsorgans auf Antrag oder von Amts wegen abzuberufen, wenn dies die Stiftungserklärung vorsieht oder sonst ein wichtiger Grund vorliegt. Nach den Gesetzesmaterialien sind jene Beteiligten antragsberechtigt, die ein rechtliches Interesse am ordnungsgemäßen Funktionieren der Privatstiftung haben. Dazu gehörten die Stiftungsorgane und deren Mitglieder, aber auch Begünstigte.

 

In diesem Zusammenhang hat der erkennende Senat bereits ausgesprochen, dass im Interesse der Vermeidung eines Kontrolldefizits für Begehren auf Abberufung von Vorstandsmitgliedern nicht nur den Stiftungsorganen, sondern auch einzelnen Organmitgliedern Parteistellung zukommt, weil dies nicht dem Schutz von Individualinteressen, sondern dem Ausgleich eines bei der Privatstiftung bestehenden strukturellen Kontrolldefizits dient. In der Literatur wurde darauf hingewiesen, dass diese Überlegungen auch für andere Organe der Stiftung gelten würden, also etwa für einen Beirat mit Organqualität. In der Folge hat der erkennende Senat die Antragslegitimation eines Beiratsmitglieds ausdrücklich bejaht.

 

Die Vorinstanzen verneinten die Antragslegitimation der Revisionsrekurswerberin schon deshalb, weil diese nach der Änderung der Stiftungsurkunde nicht mehr Begünstigte sei.

 

Zwar wird nach § 33 Abs 3 Satz 2 PSG die Änderung der Stiftungsurkunde mit der Eintragung in das Firmenbuch wirksam. Insofern trifft auch zu, dass die Eintragung konstitutiv wirkt. Die Eintragung ist jedoch stets nur notwendige, nicht auch hinreichende Bedingung für die Wirksamkeit einer Änderung der Stiftungsurkunde. Zwar kann eine Änderung der Stiftungsurkunde ohne Eintragung in das Firmenbuch keine Wirksamkeit entfalten; dies bedeutet jedoch nicht, dass jede eingetragene Änderung damit automatisch auch materiell-rechtlich wirksam wäre. Vertrauensschutzerwägungen kommen im vorliegenden Zusammenhang nicht zum Tragen.

 

So könnte etwa eine Änderung der Stiftungserklärung dann, wenn der Stifter geschäftsunfähig ist, auch dann keine Wirkungen entfalten, wenn sie im Firmenbuch eingetragen wäre. Ein anderer Fall wäre der Verstoß der Stiftungserklärung gegen ein gesetzliches Verbot. Dazu hat der erkennende Senat ausgesprochen, dass die Bestellung der Tochter der Stifterin und Alleinbegünstigten zum Mitglied des Stiftungsvorstands trotz Eintragung im Firmenbuch absolut unwirksam war.

 

Im vorliegenden Fall hat sich die Revisionsrekurswerberin darauf berufen, dass sie in einem anhängigen Streitverfahren vor dem Erstgericht die Feststellung der Gültigkeit der Stiftungsurkunde und der Stiftungszusatzurkunde jeweils in der Fassung vom 14. April 2009 und der Unwirksamkeit aller später erfolgten Änderungen, insbesondere jener vom 14. April 2011, vom 20. Mai 2011 und vom 11. November 2011, begehrt.

 

Die materiell-rechtliche Gültigkeit der Stiftungsurkunde bzw der späteren Änderungen stellt daher im vorliegenden Fall eine Vorfrage dar, deren Lösung sich nicht schon durch die Eintragung in das Firmenbuch erübrigt, zumal eine umfassende Prüfung der materiellen Wirksamkeit der Änderungen der Stiftungsurkunde bzw Zusatzurkunde im Eintragungsverfahren gar nicht erfolgen kann, sondern das Firmenbuch auf das Aufgreifen jener Umstände beschränkt ist, hinsichtlich derer es von Amts wegen oder aufgrund der Eingaben eines Beteiligten Bedenken hegt.

 

Damit hätten die Vorinstanzen die maßgebliche Vorfrage entweder selbst beurteilen müssen oder das Verfahren nach § 25 Abs 2 Z 1 AußStrG unterbrechen müssen.

 

Die Aufhebung der Beschlüsse der Vorinstanzen ist aber noch aus einer weiteren Erwägung gerechtfertigt:

 

Der OGH hat bereits in mehreren Entscheidungen auf das besondere, sich bei der Privatstiftung aus dem Fehlen von Eigentümern ergebende Kontrolldefizit verwiesen, wo mangels Vorliegens von Eigentümern kein Äquivalent etwa zur Hauptversammlung im Aktienrecht besteht. Diesem Kontrolldefizit ist durch rechtschutzfreundliche Auslegung jener Bestimmungen zu begegnen, die einzelnen Personen die Legitimation zur Stellung von Anträgen an das Gericht einräumen, kann doch nur auf diese Weise das tendenziell bestehende Kontrolldefizit durch eine umfassende Prüfung und Beurteilung durch ein unabhängiges Gericht ausgeglichen werden.

 

Nach den Materialien zu § 27 PSG kommt den Begünstigten Antragslegitimation für Anträge auf Bestellung oder Abberufung von Organmitgliedern zu. Zu der Frage, ob diese Rechte daran gebunden sind, dass der Betreffende noch aktuell Begünstigter ist, ist den Materialien jedoch nichts zu entnehmen. Die an anderer Stelle der Materialien, nämlich bei § 5 PSG, anzutreffende Aussage, die Dauer der Begünstigtenstellung hänge vom Stiftungszweck ab, bezieht sich nicht auf Informations- und Kontrollrechte.

 

In der Literatur wird eine Nachwirkung der Begünstigtenstellung für die Ausübung ihrer Überwachungsrechte und zugunsten der in regelmäßigen Abständen von der vom Stifter dazu berufenen Stelle oder vom Stiftungsvorstand nach § 5 Satz 2 PSG festgestellten Begünstigten zumindest bis zur nächsten Feststellung vertreten. Arnold weist zu Recht darauf hin, dass, wenn man annähme, dass Personen, die lediglich einmal eine Zuwendung erhalten, mit Leistung derselben ihre Begünstigtenstellung sofort verlieren, man deren Überwachungsrechte (insbesondere den Auskunftsanspruch nach § 30 PSG) ad absurdum führen würde. Außerdem wäre eine Unvereinbarkeit dann nur für jeweils eine logische Sekunde gegeben. Es sei daher davon auszugehen, dass die Begünstigtenstellung durch eine angemessene Frist hindurch nachwirke.

 

Nach Kalss/Zollner sei demgegenüber für Einmalbegünstigte gerade keine Nachwirkung der Begünstigtenstellung erforderlich, weil diesen mangels konkreter Chance auf weitere Zuwendungen durch die Privatstiftung regelmäßig das Kontrollinteresse fehlen werde. Von der Nachwirkung des Informationsrechts strikt zu unterscheiden sei jedoch die Frage, wie lange Begünstigte ihre aus der Begünstigtenstellung resultierenden Auskunftsrechte nach Beendigung der Begünstigtenstellung noch geltend machen können; dies sei va dann von Bedeutung, wenn sich nachträglich herausstelle, dass ertragsabhängige Ausschüttungen an Begünstigte von der Stiftungsverwaltung unrichtig berechnet wurden. Dem Grunde nach handle es sich dabei um eine Frage der Verjährung von Auskunftsrechten und Rechenschaftspflichten und habe mit dem „Nachwirken“ einer Rechtsposition gerade nichts gemeinsam. Mangels spezieller Verjährungsvorschriften verjähre der Auskunftsanspruch binnen 30 Jahren.

 

Der Auskunftsanspruch würde kaum Sinn machen, wenn bestimmte Begünstigte zwar das Recht hätten, Einsicht in bestimmte Unterlagen zu nehmen und Auskünfte zu verlangen, um Kontrolle auszuüben, es diesen aber für den Fall, dass pflichtwidriges Organverhalten zutage gefördert wird, nicht gestattet wäre, weitere Schritte zu setzen. Das Recht zur Stellung eines Antrags auf Abberufung sei als logisches Folgerecht des Einsichtsrechts zu verstehen und somit denselben Adressaten wie das Informationsrecht zu gewähren. Alle Personen, die zur Einsicht berechtigt seien, hätten auch ein rechtliches Interesse, einen Antrag auf Abberufung zu stellen; widrigenfalls wäre das Einsichtsrecht ein völlig sanktionsloser Kontrollmechanismus und das intendierte Regelungsanliegen - nämlich die Etablierung von wirksamer Kontrolle in der Privatstiftung - könne nicht erreicht werden.

 

Für den Einmalbegünstigten vertreten Kalss/Zollner, dass, soweit diese auch nach Erhalt der Zuwendung Auskünfte verlangen können, auch das Abberufungsrecht entsprechend auszudehnen sei, um das informationsbezogene Kontrollrecht wirksam abzusichern; denn ergebe sich etwa durch die Ausübung des Informationsrechts, dass die Zuwendungen an die Einmalbegünstigten vom Stiftungsvorstand zu gering bemessen wurden, könnten sich diese nur durch dessen Abberufung wehren.

 

Dieser Auffassung ist beizupflichten. Andernfalls würden jene in der Praxis verbreiteten Gestaltungen der Stiftungsurkunde, wonach der Begünstigte teilweise nur für einen äußerst kurzen Zeitraum, etwa einen Tag, eingesetzt ist, dazu führen, dass die Antrags- und Kontrollrechte des Begünstigten praktisch nie zum Tragen kämen. Eine derartige Auslegung kann dem Gesetzgeber aber nicht zugesonnen werden. Diese Erwägungen gelten aber nicht nur für den Einmalbegünstigten oder Begünstigte, die diese Stellung - wenn auch wiederholt - nur für ganz kurze Zeit innehaben, sondern auch bei allen anderen Begünstigten zumindest gegen Ende ihrer Stellung als Begünstigte, weil dann rein faktisch die Ausübung der Kontrollmöglichkeiten der Begünstigten nicht rechtzeitig möglich wäre.

 

Dies gilt umso mehr, als mit dem BudgetbegleitG 2011 die Abberufungsmöglichkeiten durch Begünstigte sogar erweitert wurden. Dieses Abberufungsrecht als zentrales Absicherungsinstrument der Kontrollmöglichkeiten des Begünstigten würde andernfalls bei all jenen Begünstigten leerlaufen, die wegen Ablaufs ihrer Begünstigtenstellung ihre damit zusammenhängenden Informations- und Kontrollrechte nicht ausüben könnten.