OGH: Freie richterliche Betragsschätzung iSd § 34 AußStrG
Mit dieser Bestimmung wurde § 273 Abs 1 ZPO - den Bedürfnissen des Außerstreitverfahrens angepasst - in das AußStrG integriert; wenn das Erstgericht den Beweis des Werts eines abhanden gekommenen Gegenstands für erbringbar hielt und den Wert feststellte, kann das Berufungsgericht ohne Beweisrüge und Beweiswiederholung nicht erstmals § 273 Abs 1 ZPO anwenden; nichts anderes kann grundsätzlich für § 34 AußStrG gelten
§ 34 AußStrG, § 273 ZPO
GZ 10 Ob 34/12s, 10.09.2012
OGH: Wenn feststeht, dass einer Partei eine Geldleistung zusteht, die Erhebung der Höhe des Betrags jedoch nicht möglich ist oder mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten verbunden wäre, so kann das Gericht gem § 34 AußStrG auf Antrag oder von Amts wegen auch unter Abstandnahme von der Aufnahme angebotener Beweise die Höhe des Betrags nach freier Überzeugung festsetzen. Mit dieser Bestimmung wurde § 273 Abs 1 ZPO - den Bedürfnissen des Außerstreitverfahrens angepasst - in das AußStrG integriert. Nach der Rsp darf die Regel des § 273 Abs 1 ZPO zwar unter „Übergehung“, also Unterlassung der Aufnahme eines Beweises, auch noch unter Nichtberücksichtigung bereits erhobener Beweise, nicht aber erstmals vom Berufungsgericht unter Abgehen von der Beweiswürdigung des Erstgerichts ohne Beweiswiederholung angewendet werden, da das Ergebnis dieser Anwendung vom Rechtsmittelgericht im Rahmen der rechtlichen Beurteilung nur überprüfbar ist, wenn schon das Prozessgericht diese Gesetzesstelle anwendet. Wenn daher das Erstgericht beispielsweise den Beweis des Werts eines abhanden gekommenen Gegenstands für erbringbar hielt und den Wert feststellte, kann das Berufungsgericht ohne Beweisrüge und Beweiswiederholung nicht erstmals § 273 Abs 1 ZPO anwenden. Nichts anderes kann grundsätzlich für § 34 AußStrG gelten, der § 273 Abs 1 ZPO nachgebildet ist.
Die Minderjährigen haben sich im vorliegenden Revisionsrekurs dagegen beschwert, dass das Rekursgericht bei der Feststellung des Werts der vom Vater für sie gekauften Kleidung die Bestimmung des § 34 AußStrG angewendet hat, obwohl das Erstgericht ohnehin Feststellungen über den Wert der vom Vater für sie gekauften Kleidung getroffen hat. Die Tatsache, dass das Erstgericht eine entsprechende Feststellung getroffen hat, hätte das Rekursgericht zunächst zu einer Überprüfung der gegen diese Feststellung im Rekurs des Vaters vorgebrachten Argumente veranlassen müssen, statt ohne Überprüfung dieser Argumente sogleich von der Bestimmung des § 34 AußStrG Gebrauch zu machen. Erst wenn das Rekursgericht nach Behandlung der Beweisrüge im Rekurs des Vaters zu dem Ergebnis gelangen sollte, dass es die vom Erstgericht getroffene Feststellung nicht übernehmen könnte, wäre es seinerseits zur Anwendung des § 34 AußStrG berechtigt.