OGH: Verfahrenssachwalter und gewählter Vertreter
Die Vertretungsmacht des Verfahrenssachwalters erlischt nicht bereits mit der Bevollmächtigung eines gewählten Vertreters, sondern erst mit dem Beschluss des Gerichtes; besachwalterte Personen können wirksam einen gewählten Vertreter bestellen, wenn sie fähig sind, die Wirkung der Bevollmächtigung zu erkennen
§§ 268 ff ABGB, § 119 AußStrG
GZ 1 Ob 97/12i, 01.08.2012
Das Erstgericht bestellte für die über ein gewisses Vermögen verfügende Betroffene eine Rechtsanwältin zur Verfahrenssachwalterin und zur einstweiligen Sachwalterin. Unter anderem sollte ihr Wertpapiervermögen mündelsicher angelegt werden. Die Betroffene beauftragte einen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung, der für sie gegen die Beschlüsse des Erstgerichtes Rekurs und gegen die Entscheidungen des Rekursgerichtes Revisionsrekurs einbrachte. Daraus ergaben sich ua Fragen des Zusammentreffens der Bestellung eines Verfahrenssachwalters und nachfolgender Bestellung eines gewählten Vertreters.
OGH: Die alte Rechtslage ordnete ausdrücklich das Erlöschen der Vertretungsmacht des Verfahrenssachwalters allein schon durch die Anzeige der Bevollmächtigung eines selbst gewählten Vertreters gegenüber dem Gericht an. Der eindeutige Wortlaut des neuen § 119 Satz 3 AußStrG spricht für die auch in der Lehre befürwortete Interpretation, dass im Gegensatz zur alten Rechtslage die Vertretungsbefugnis des Verfahrenssachwalters nicht bereits mit der Anzeige der Bevollmächtigung eines geeigneten, selbst gewählten Vertreters der betroffenen Person „erlischt“, sondern ein konstitutiver Beschluss des Gerichts notwendig ist.
Ein selbst gewählter Vertreter kann die betroffene Person nur unter zwei Voraussetzungen neben dem bestellten Verfahrenssachwalter vertreten: 1) Die betroffene Person darf nicht offenbar unfähig sein, die Wirkungen der Bevollmächtigung zu erkennen. 2) Ihr bevollmächtigter Vertreter muss nach dem Wortlaut des § 119 Satz 3 AußStrG „geeignet“ sein. Die Vertretung durch nicht eigenberechtigte Personen oder Winkelschreiber wäre beispielsweise grundsätzlich ausgeschlossen.