VwGH: Überschreitung einer durch Straßenverkehrszeichen kundgemachten zulässigen Höchstgeschwindigkeit – Bestreitung der Existenz der übertretenen Verordnung
Da die Geltung der kundgemachten Verkehrsbeschränkung voraussetzt, dass diese durch eine entsprechende Verordnung gedeckt ist, und die Beantwortung der Rechtsfrage der tatsächlichen Existenz einer solchen Verordnung und der konkreten Deckung der kundgemachten Geschwindigkeitsbeschränkung durch diese Verordnung in Verkennung der Rechtslage durch die belangte Behörde unterblieben ist, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit
§ 43 StVO, § 44 StVO, § 44c StVO, § 45 AVG, § 52 StVO
GZ 2012/02/0158, 21.09.2012
In der Beschwerde wird ua geltend gemacht, dass nach der Rsp des VwGH die Frage der Existenz einer Verordnung eine Rechtsfrage darstelle. Dabei sei zu beachten, dass ein nicht auffindbarer Verordnungsakt bewirke, dass nicht von der Existenz der entsprechenden Verordnung ausgegangen werden könne.
Die belangte Behörde habe den Verordnungsakt betreffend die vom Bf angeblich übertretene Geschwindigkeitsbeschränkung weder eingeholt bzw vorgelegt, noch sei dieser im erstinstanzlichen Verfahren beschafft worden, obgleich entsprechende Beweisanträge gestellt worden seien. Nachdem nach der genannten Rsp des VwGH von der Existenz einer entsprechenden Verordnung dann nicht ausgegangen werden könne, wenn der entsprechende Verordnungsakt nicht auffindbar sei, müsse dies - kraft Größenschluss - noch vielmehr gelten, wenn nicht einmal versucht werde - wie im vorliegenden Fall - den Verordnungsakt auszuheben.
Da die Frage der Existenz einer Vorordnung eine Rechtsfrage sei, sei evident, dass es zur richtigen Beurteilung notwendig sei, dass sich die belangte Behörde darüber vergewissere, ob die angeblich übertretene Verordnung (überhaupt) existiere. Die belangte Behörde hätte daher (schon von Amts wegen) den Verordnungsakt betreffend die vom Bf angeblich verletzte Norm ausheben müssen. Nachdem dies jedoch nicht geschehen sei, hätte die belangte Behörde (zumindest im Zweifel) davon ausgehen müssen, dass keine Verordnung existiere und es hätte daher keine Bestrafung des Bf erfolgen dürfen.
VwGH: Wie in der Beschwerde zutreffend ausgeführt wird, stellt nach der stRsp des VwGH die Frage nach der Existenz einer Verordnung eine Rechtsfrage, nicht aber eine Tatsache iSd § 45 AVG dar, die im Ermittlungsverfahren festzustellen wäre.
Da vom Bf bereits im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens die Existenz einer Verordnung, die am Tatort eine Geschwindigkeitsbegrenzung auf 100 km/h anordnet, bestritten wurde, hätte sich die belangte Behörde von der Existenz einer solchen Verordnung überzeugen müssen, zumal - wie aus den vorgelegten Verwaltungsakten zu ersehen ist - im Zuge der mündlichen Verhandlung am 9. Jänner 2012 durch Einvernahme des Meldungslegers als Zeugen lediglich geklärt wurde, dass auf dem gegenständlichen Streckenabschnitt der Brennerautobahn "über die VBA ein permanenter 100er geschaltet" worden sei.
Mit dem Ausdruck "VBA" dürfte offenbar (arg: "geschaltet") eine "Verkehrsbeeinflussungsanlage" bzw ein Verkehrsbeeinflussungssystem iSd § 44 Abs 1a und des § 44c StVO gemeint sein. Ob der Anzeige der Geschwindigkeitsbeschränkung auf dieser Anlage tatsächlich eine entsprechende Verordnung zugrunde liegt und ob die in dieser Verordnung festgelegten Voraussetzungen zum Tatzeitpunkt erfüllt waren, wurde - soweit aus den vorgelegten Verwaltungsakten für den VwGH ersichtlich ist - weder von der Behörde erster Instanz, noch von der belangten Behörde trotz eines entsprechenden Bestreitens der Existenz einer solchen Verordnung durch den Bf geprüft. Da die Geltung der kundgemachten Verkehrsbeschränkung jedoch voraussetzt, dass diese durch eine entsprechende Verordnung gedeckt ist, und die Beantwortung der Rechtsfrage der tatsächlichen Existenz einer solchen Verordnung und der konkreten Deckung der kundgemachten Geschwindigkeitsbeschränkung durch diese Verordnung in Verkennung der Rechtslage durch die belangte Behörde unterblieben ist, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.