OGH: Zur Frage der Aufrechenbarkeit von Forderungen nach § 31 Abs 4 KBGG, bezogen auf laufende Leistungen für ein anderes Kind als jenes, für das zu Unrecht Kindergeld bezogen wurde
Eine Einschränkung der Aufrechnung bzw eine Ausnahmeregelung dahin, dass nur auf die für jenes Kind zu erbringenden Leistungen aufgerechnet werden könne, für das zu Unrecht Kindergeld bezogen wurde, nicht aber auf für ein weiteres Kind zu erbringende Leistungen nach dem KBGG, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen
§ 33 KBGG
GZ 10 ObS 63/12f, 24.07.2012
OGH: Wie sich aus dem Wortlaut des § 31 Abs 4 KBGG ergibt, können Rückforderungen auf „die zu erbringenden Leistungen“ bis zur Hälfte derselben aufgerechnet werden. Eine gleichlautende Regelung findet sich auch in § 3 der für Bezugszeiten vor dem 1. 1. 2008 geltenden KBGG-Härtefälle-Verordnung BGBl II 2001/405 idF BGBl II 91/2004. Wie sich aus dem Wortlaut dieser Regelungen ergibt, ist dann, wenn der/die Rückzahlungsverpflichtete eine laufende Leistung nach dem KBGG bezieht, die Hereinbringung der offenen Forderung im Wege der Aufrechnung zulässig, wobei dem Leistungsbezieher jedenfalls die Hälfte seines Leistungsanspruchs ausgezahlt werden muss. Eine Einschränkung der Aufrechnung bzw eine Ausnahmeregelung dahin, dass nur auf die für jenes Kind zu erbringenden Leistungen aufgerechnet werden könne, für das zu Unrecht Kindergeld bezogen wurde, nicht aber auf für ein weiteres Kind zu erbringende Leistungen nach dem KBGG, ist dem Gesetz nicht zu entnehmen.
In den Materialien zu § 31 KBGG finden sich zur Absicht des Gesetzgebers keine Ausführungen. Der klare Gesetzeszweck des § 31 Abs 4 KBGG liegt aber (ebenso wie jener des gleichlautenden § 3 KBGG-Härtefäll-Verordnung) darin, Rückforderungsansprüche im Wege der Aufrechnung in jenen Fällen einbringlich zu machen, in denen parallel zum Rückforderungsanspruch eine laufende Leistung nach dem KBGG gewährt wird.
Gelingt im Allgemeinen die Einbringlichmachung im Wege der Aufrechnung, kommt es zu einer wechselseitigen Schuldtilgung ohne Leistungsaustausch und erübrigt sich die Einleitung und Betreibung eines Exekutionsverfahrens. Außerdem bietet die Möglichkeit der Aufrechnung dem Krankenversicherungsträger Sicherheit, dies insbesondere im Fall der Insolvenz des Rückforderungsverpflichteten. Gerade dieser in der Sicherstellung der Einbringlichkeit des Rückforderungsanspruchs liegende Normzweck des § 31 Abs 4 KBGG steht aber der Annahme einer verdeckten Lücke iSe Ausnahmeregelung entgegen. Den ins Treffen geführten Billigkeitserwägungen hat der Gesetzgeber in § 31 Abs 4 KBGG ohnedies in der Weise Rechnung getragen, dass dem Leistungsbezieher jedenfalls die Hälfte seines Leistungsanspruchs ausbezahlt werden muss und dem Krankenversicherungsträger in Härtefällen die Ermessensentscheidung eingeräumt wird, die Erstattung des zu Unrecht gezahlten Betrages in Teilbeträgen (Ratenzahlungen) zuzulassen, die Rückforderung zu stunden oder auf die Rückforderung ganz oder teilweise zu verzichten. Für die Annahme weiterer - im Gesetz bzw der KBGG-Härtefälle-Verordnung nicht vorgesehener - Billigkeitstatbestände besteht kein Raum. Bei der von der Klägerin gewünschten Auslegung wäre § 31 Abs 4 KBGG zudem in vielen Fällen seines Anwendungsbereichs entkleidet. Wie schon das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, wird das Überschreiten der gesetzlichen Zuverdienstgrenze aus einkommenssteuerrechtlichen Gründen in der Regel erst lange im Nachhinein ermittelt, sodass oftmals die Rückforderung nicht so rechtzeitig erfolgt, dass noch auf die für das selbe Kind nach dem KBGG zu erbringende Leistung aufgerechnet werden könnte.
Ausgehend vom Zweck des § 31 Abs 4 KBGG besteht daher keine Grundlage für eine den Gesetzeswortlaut korrigierende teleologische Reduktion in dem von der Revisionswerberin gewünschten Sinn.