15.10.2012 Zivilrecht

OGH: Gesetzliches Vorausvermächtnis nach § 758 ABGB

Das gesetzliche Vorausvermächtnis steht nur dann zu, wenn der überlebende Ehegatte das Recht auf Benützung der Ehewohnung nicht schon durch andere erbrechtliche Sonderregelungen (wie nach dem MRG, WEG oder WGG) oder auf andere Weise, etwa als Erbe erwirbt; es kommt daher nicht zur Anwendung, wenn der überlebende Ehegatte aufgrund des Erbfalls Eigentümer des Objekts wird, in dem sich die Ehewohnung befindet


Schlagworte: Erbrecht, Familienrecht, gesetzliches Vorausvermächtnis, Pflichtteilsübereinkommen
Gesetze:

§ 758 ABGB

GZ 5 Ob 134/12k, 26.07.2012

 

Im Zuge des Verlassenschaftsverfahrens schloss die Erstbeklagte (Witwe des verstorbenen Alleineigentümers eines Einfamilienhauses) mit allen Kindern des Erblassers ein Pflichtteilsübereinkommen, wonach jedes der Kinder einen Siebtelanteil des Liegenschaftsvermögens des Erblassers erhielt, sodass dieses von der Witwe und sämtlichen Nachkommen gleichteilig übernommen wurde.

 

OGH: Ein gesetzliches Vorausvermächtnis nach § 758 ABGB gewährt nur einen schuldrechtlichen Anspruch gegen die Erben oder die sonst durch das Vorausvermächtnis Beschwerten, nicht aber gegen Dritte. Dritte sind mit dem Weiterbenutzungsrecht des überlebenden Ehegatten nicht belastet, sodass mangels dinglicher Wirkung der „gesetzliche Voraus“ den Erblasserschulden im Rang nachgeht. Auch gegenüber den Gläubigern des Erben besteht - sofern das Wohnrecht nicht verbüchert ist - kein Schutz. Im Zwangsversteigerungsverfahren ist es daher nicht zu übernehmen.

 

Der Erstbeklagten stand daher gegen die pflichtteilsberechtigten Kinder des Erblassers, die weder Vermächtnisnehmer noch Erben waren, sondern nur einen obligatorischen Geldanspruch hatten, kein schuldrechtlicher Anspruch auf Gewährleistung ihres Wohnrechts zu.

 

Der Anspruch des Vermächtnisnehmers richtet sich vor Einantwortung gegen den ruhenden Nachlass, weshalb auch das gesetzliche Vorausvermächtnis der Wohnung vor Einantwortung gegenüber dem Nachlass geltend zu machen ist.

 

Das gesetzliche Vorausvermächtnis steht nur dann zu, wenn der überlebende Ehegatte das Recht auf Benützung der Ehewohnung nicht schon durch andere erbrechtliche Sonderregelungen (wie nach dem MRG, WEG oder WGG) oder auf andere Weise, etwa als Erbe erwirbt. Es kommt daher nicht zur Anwendung, wenn der überlebende Ehegatte aufgrund des Erbfalls Eigentümer des Objekts wird, in dem sich die Ehewohnung befindet.

 

Ob es sich beim Wohnrechtslegat des § 758 ABGB um ein Damnationslegat oder ein Vindikationslegat handelt, ob also der überlebende Teil unmittelbar und ohne jeden besonderen Übertragungsakt im Zeitpunkt des Todestags des Erblassers (§ 684 ABGB) das obligatorische Wohnrecht erhält oder ob er einen Anspruch auf Einräumung des Wohnrechts gegen den Vermächtnisschuldner hat, ist entgegen der Ansicht des Revisionsrekurses im vorliegenden Fall bedeutungslos:

 

Gleich wann und ob der Erstbeklagten ein Wohnrecht entstanden ist, überdauerte es jedenfalls die Verbücherung des Pflichtteilsübereinkommens nicht.

 

Selbst wenn der Erstbeklagten - entgegen der zugrunde zu legenden Subsidiarität des Wohnrechts - ein solches entstanden wäre, richtete es sich zum Zeitpunkt des Pflichtteilsübereinkommens gegen die Verlassenschaft und nicht gegen die Pflichtteilsberechtigten und wäre mit Rechtskraft der Einantwortung jedenfalls untergegangen.

 

Den Pflichtteilsberechtigten und aufgrund des Pflichtteilungsübereinkommens nunmehrigen Miteigentümern der Liegenschaft stand eine Verpflichtung, ein Wohnrecht der Erstbeklagten zu gewährleisten, weder im Zeitpunkt des Abschlusses dieser Vereinbarung zu, noch sind sie als Miteigentümer damit belastet. Entscheidend ist, wie ausgeführt, dass sie das Miteigentum nicht als Erben erlangten, sondern aufgrund einer Vereinbarung unter Lebenden.

 

Die Erstbeklagte hätte daher also gar keinen Verzicht in welcher Form immer erklären müssen, sondern aus Anlass der Eigentumsübertragung an die vormals Pflichtteilsberechtigten sich ein Wohnrecht „vorbehalten“ oder von diesen als künftigen Miteigentümern ein Wohnungsrecht iSd § 521 ABGB bzw ein Wohnungsgebrauchsrecht einräumen lassen müssen.

 

Eine solche Rechtseinräumung wurde aber nicht behauptet. So stellt sich das Recht der Erstbeklagten, die Wohnung zu benützen, als Ausfluss ihres Miteigentumsrechts iSd § 839 ABGB dar.

 

Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass dem Teilungsbegehren ein Recht auf Benützung der Ehewohnung iSd § 758 ABGB nicht entgegensteht, ist durch die dargestellte Rsp gedeckt.

 

Es kann daher eine Auseinandersetzung mit der Frage unterbleiben, ob das Wohnrecht ein Teilungshindernis darstellen kann, was die Judikatur bisher nach seinem Inhalt beurteilte.

 

Für ihr Argument, dem Teilungsanspruch der Klägerin stehe eine Vereinbarung zur Fortsetzung der Gemeinschaft bzw eine Anordnung des Erblassers zur Fortsetzung der Gemeinschaft (§§ 831, 832 ABGB) entgegen, vermag sich die außerordentliche Revision auf keine Feststellungsgrundlagen zu beziehen. Übersehen wird, dass der Erblasser gerade kein Miteigentum an der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft angeordnet hat, sondern die Erstbeklagte (ohne dazu verpflichtet zu sein), sämtlichen Kindern des Erblassers Miteigentumsanteile verschaffte. Im vorliegenden Fall handelt es sich gerade nicht um die Teilungsklage eines Miterben, dem unter bestimmten Voraussetzungen ein Wohnrecht nach § 758 ABGB entgegengesetzt werden kann.