VwGH: Werden durch ein wasserrechtlich bewilligungspflichtiges Vorhaben bestehende Rechte iSd § 12 Abs 2 WRG betroffen, dann ist die Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung - vom Fall der Einräumung von Zwangsrechten abgesehen - nur zulässig, wenn der Inhaber des betroffenen bestehenden Rechtes dem Eingriff in sein Recht zustimmt
Die wasserrechtliche Bewilligung ist auch dann zu erteilen, wenn zwar kein beurkundungsfähiges Übereinkommen vorliegt, sich der Konsenswerber jedoch mit dem Inhaber des der Verwirklichung des Projektes entgegenstehenden fremden Rechtes geeinigt hat
§ 12 WRG, § 111 WRG
GZ 2010/07/0184, 24.05.2012
VwGH: Gem § 12 Abs 1 WRG sind das Maß und die Art der zu bewilligenden Wasserbenutzung derart zu bestimmen, dass das öffentliche Interesse (§ 105 leg cit) nicht beeinträchtigt und bestehende Rechte nicht verletzt werden. Gem § 12 Abs 2 leg cit ist als bestehendes Recht iSd Abs 1 ua das Grundeigentum anzusehen.
Werden durch ein wasserrechtlich bewilligungspflichtiges Vorhaben bestehende Rechte iSd § 12 Abs 2 leg cit betroffen, dann ist die Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung - vom Fall der Einräumung von Zwangsrechten abgesehen - nur zulässig, wenn der Inhaber des betroffenen bestehenden Rechtes dem Eingriff in sein Recht zustimmt.
Die wasserrechtliche Bewilligung ist auch dann zu erteilen, wenn zwar kein beurkundungsfähiges Übereinkommen vorliegt, sich der Konsenswerber jedoch mit dem Inhaber des der Verwirklichung des Projektes entgegenstehenden fremden Rechtes geeinigt hat. So berechtigen die in der mündlichen Verhandlung von einem Grundeigentümer abgegebene Erklärung, der projektsgemäßen Einwirkung auf sein Grundeigentum gegen Gewährung einer Gegenleistung zuzustimmen, und die Annahme dieser Erklärung durch den Projektsherrn die Wasserrechtsbehörde zu dem Schluss, dass insofern eine projektsbedingte Verletzung eines Eigentumsrechtes nicht gegeben sei.
Die belangte Behörde vertritt im angefochtenen Bescheid die Auffassung, dass, weil das von den Parteien in der Verhandlung am 3. Mai 2010 geschlossene Übereinkommen von diesen eigenhändig unterfertigt worden sei, auch wenn dessen Beurkundung aufzuheben sei, dieses rechtlichen Bestand habe, sodass, weil eine aufrechte Zustimmungserklärung der Bf (für die Grundinanspruchnahme) vorliege, die Erteilung der wasserrechtlichen Bewilligung durch die Erstbehörde rechtmäßig sei. "Im Streitfall" betreffend das Übereinkommen sei die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte gegeben.
Die Beschwerde wendet sich gegen diese Beurteilung mit dem Vorbringen, dass die Bf zwar das Protokoll über die Verhandlung vom 3. Mai 2010 unterfertigt, nicht jedoch den Inhalt des Übereinkommens "selbstbestimmt festgelegt" und dieses auch nicht unterfertigt habe. Vielmehr habe die Bf, wenn überhaupt, eine bloße Absichtserklärung hinsichtlich der ihr nicht bekannten und daher noch zu prüfenden Abhilfemaßnahmen ("Variante 1 + 2") abgegeben. Da die belangte Behörde im Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides die Beurkundung aufgehoben habe, sei "formell" die zivilrechtliche Vereinbarung nicht im Verhandlungsprotokoll enthalten. Zudem entsprächen die beiden angeführten Wahlvarianten der Rückstauabhilfe für die Bf nicht dem § 65 Abs 1 Steiermärkisches BauG, weil für die Kellerräumlichkeiten der Bf, in welchen sich der Stromverteilerkasten, die Wärmepumpe und ein Lebensmittellager befänden (keine untergeordnete Räumlichkeiten), lediglich eine Abwasserhebeanlage mit Rückstauschleife erlaubt sei. Solche Anlagen seien regelmäßig zu prüfen und von Fachkundigen zu warten. Die von der Behörde zur Begründung der wasserrechtlichen Bewilligung herangezogene Vereinbarung habe daher einen rechtswidrigen Lösungsvorschlag, weshalb eine bindende Wirkung der Vereinbarung ausscheide. Hätte die Behörde entsprechend ihrer Verpflichtung die Vereinbarung überprüft, hätte sie erkannt, dass die von DI (…) formulierte Vereinbarung den beteiligten "laienhaften Parteien" keine zufriedenstellende Lösung, insbesondere hinsichtlich des bereits mehrmals vorgefallenen Rückstaus im Keller des Wohnhauses der Bf, biete und daher der wasserrechtliche Bewilligungsantrag auf Grund einer Bedrohung bestehender Rechte iSd § 12 Abs 2 leg cit hätte abgewiesen werden müssen. Die Bf sei nach wie vor damit konfrontiert, dass Rückflüsse ungeklärter Abwässer ihr Wohnhaus bedrohten, und es würden dadurch wie auf Grund der Kanalstrangverlegung auf ihrem Grundstück bestehende Rechte iSd § 12 Abs 2 leg cit bedroht.
Dieses Vorbringen führt die Beschwerde im Ergebnis zum Erfolg.
Soweit die Beschwerde allerdings vorbringt, die Bf habe das Übereinkommen nicht unterfertigt, handelt es sich um eine gegen das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltende Neuerungsverbot verstoßende und daher unzulässige Behauptung, auf die nicht weiter einzugehen ist. So hat die Bf im Berufungsverfahren nicht bestritten, dass das unter Spruchabschnitt I. des erstinstanzlichen Bescheides dargestellte Übereinkommen den dort festgestellten Wortlaut aufweist und (auch) von der Bf "eh.", dh "eigenhändig", unterfertigt ist.
Der belangten Behörde ist auch darin Recht zu geben, dass eine solche Vereinbarung - unabhängig davon, ob sie gem § 111 Abs 3 WRG beurkundet wurde - zivilrechtliche Wirkungen entfaltet und die Behebung der Beurkundung dieses Übereinkommens nach dieser Gesetzesbestimmung (wie in Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides) die zivilrechtliche Vereinbarung nicht beseitigt.
Ferner ist der Beurteilung der belangten Behörde insoweit beizupflichten, als für die Auslegung von zivilrechtlichen Vereinbarungen eine Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte besteht. Entgegen der weiteren Ansicht der belangten Behörde bedeutet dies jedoch nicht, dass damit eine Beurteilung der Wirksamkeit des zwischen der Bf und der MP geschlossenen Übereinkommens - gegen dieses hat die Bf in ihrer Berufung (ua) eingewendet, dass die beiden genannten Lösungsmöglichkeiten für das Rückstauproblem gegen die "Steirische Bauordnung" verstießen und gesetzwidrig seien, sodass, weil ihre Zustimmung für die Inanspruchnahme ihrer Grundstücke von der Umsetzung dieser Vereinbarung abhängig sei, diese nicht durchführbar sei und ihre Zustimmung daher nicht gegeben sei - durch die belangte Behörde unterbleiben konnte.
Die Beurteilung, ob die Zuständigkeit der Wasserrechtsbehörde und / oder die der ordentlichen Gerichte zur Entscheidung über einen Antrag gegeben ist, hängt davon ab, welche Art von Streitigkeit mit einem Antrag an die Behörde herangetragen wird bzw was Ziel des Antrages ist. Die MP begehrte von der Wasserrechtsbehörde die Erteilung einer wasserrechtlichen Bewilligung. Hiebei hat die Wasserrechtsbehörde (ua) zu beurteilen, ob der Eingriff in ein fremdes Recht durch die Zustimmung des Berechtigten gedeckt ist oder ob bestehende Rechte verletzt werden. Daraus ergibt sich, dass die Wasserrechtsbehörde (ua) zu beurteilen hat, ob ein Privatrechtstitel den Eingriff in ein bestehendes Recht iSd § 12 Abs 1 und 2 WRG zulässt bzw ob die vom Berechtigten abgegebene Zustimmungserklärung für einen solchen Eingriff volle Rechtswirksamkeit entfaltet und durchsetzbar ist.