08.10.2012 Verfahrensrecht

OGH: § 183 Abs 1 Z 4 ZPO ermöglicht auch die amtswegige Einholung eines Gutachtens

Die dem Gericht nach § 183 ZPO zustehende Befugnis, von Amts wegen eine Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen, wird durch einen Verzicht der Parteien nicht berührt (§ 363 Abs 2 ZPO)


Schlagworte: Amtswegige Einholung eines Gutachtens, Verzicht der Parteien, Kostenvorschuss, Nichterlag
Gesetze:

§ 183 ZPO, § 363 ZPO, § 365 ZPO

GZ 3 Ob 156/12f, 19.09.2012

 

OGH: Der Beklagte bestreitet gar nicht, dass das Gericht gem § 183 Abs 1 Z 4 ZPO den Sachverständigenbeweis auch von Amts wegen beschließen kann und dass in diesem Fall die Unterlassung des Vorschusserlags die Beweisaufnahme nicht hindert. Ob - wie der Beklagte in seinem Rekurs meint - der vom Kläger gestellte Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens als „zurückgezogen“ zu gelten hat, ist nicht maßgeblich, weil das Berufungsgericht zur Klärung des Sachverhalts die amtswegige Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens für erforderlich hielt. Die dem Gericht nach § 183 ZPO zustehende Befugnis, von Amts wegen eine Begutachtung durch Sachverständige anzuordnen, wird durch einen Verzicht der Parteien nicht berührt (§ 363 Abs 2 ZPO).

 

Beruht aber ein Auftrag des Berufungsgerichts zur Ergänzung des Sachverhalts auf einer richtigen Rechtsauffassung (hier: auf der Auslegung der Verfahrensvorschrift des § 183 Abs 1 Z 4 ZPO dahin, dass diese auch die amtswegige Einholung eines Gutachtens ermöglicht), kann der OGH, der nicht Tatsacheninstanz ist, diesem Ergänzungsauftrag nicht entgegentreten.

 

Welche Konsequenzen eine allfällige zukünftige Verletzung der dem Kläger gem § 359 Abs 2 ZPO obliegenden Mitwirkungspflicht nach sich ziehen könnte, ist nicht in diesem Verfahrensstadium zu beurteilen.