19.09.2012 Sonstiges

VwGH: Verletzung des ORF-G – zum Objektivitätsgebot

Dem ORF kommt ein weiter Spielraum zu, nach welchen journalistischen Kriterien Diskussionsrunden zusammenzusetzen sind; in diesem Zusammenhang realisiert sich das Objektivitätsgebot und das Gebot der Unparteilichkeit va über die sachlich begründete Auswahl des Kreises an Teilnehmerinnen und Teilnehmern


Schlagworte: ORF, Objektivitätsgebot, Unparteilichkeit
Gesetze:

§ 4 ORF-G, § 10 ORF-G

GZ 2010/03/0073, 24.07.2012

 

VwGH: Nach der Rsp des VwGH hat der ORF zur Erfüllung des Auftrages zur umfassenden Information dafür Sorge zu tragen, dass die Vielfalt der Meinungen "in einem Programm (in seiner Gesamtheit)" zum Ausdruck kommt. Es besteht grundsätzlich kein Anspruch einer Partei oder einer Interessenvertretung auf Präsenz in einer bestimmten Sendung. Entscheidend ist vielmehr, dass es insgesamt allen nennenswerten politischen Kräften möglich ist, ihre Meinungen darzulegen.

 

Die bf Partei hat zutreffend ausgeführt, dass ihr demnach ein weiter Spielraum zukomme, nach welchen journalistischen Kriterien Diskussionsrunden zusammenzusetzen seien und dass sich in diesem Zusammenhang das Objektivitätsgebot und das Gebot der Unparteilichkeit va über die sachlich begründete Auswahl des Kreises an Teilnehmerinnen und Teilnehmern realisiere.

 

Auch das Beschwerdevorbringen vermag jedoch nicht darzulegen, dass im verfahrensgegenständlichen Fall die Auswahl des Kreises der schließlich zur Diskussionssendung "zugelassenen" Teilnehmerinnen und Teilnehmer tatsächlich sachlich und nach journalistischen Kriterien begründet worden wäre:

 

Es kann dahingestellt bleiben, welche journalistischen Überlegungen für eine Diskussionsrunde der Spitzenrepräsentanten der politischen Parteien zum Thema "Die soziale und menschliche Komponente von Weihnachten" - zu der nach den unbestrittenen Feststellungen die kaufmännische Direktorin (!) eingeladen hatte - ausschlaggebend gewesen sein mögen, zumal jedenfalls feststeht, dass die Bundessprecherin der G zum vorgesehenen Sendungstermin verhindert war und ihre statutengemäße Stellvertreterin von der mitbeteiligten Partei als "Ersatzteilnehmerin" genannt und von der bf Partei zunächst ohne Vorbehalte akzeptiert worden war. Auch die bf Partei hat nicht behauptet, dass ihr der Umstand, dass im folgenden Jahr Wiener Gemeinderatswahlen - mit Mag. V als Spitzenkandidatin der G - stattfinden würden, zum Zeitpunkt der Einladung und der Zusage, dass Mag. V teilnehmen könne, nicht bekannt gewesen wäre (die bf Partei hat im Übrigen auch nicht bestritten, dass von ihrer Seite noch zwei Tage vor der Sendung Details des Ablaufs der Sendung mit dem Pressesprecher von Mag. V erörtert worden waren).

 

Vor diesem Hintergrund ist nicht zu erkennen, dass der Einladung journalistische Überlegungen zugrunde gelegen wären, die für die Auswahl gerade der schließlich eingeladenen Teilnehmer, aber gegen Mag. V als statutengemäße Stellvertreterin der Bundessprecherin der mitbeteiligten Partei - die anlässlich der Einladung und noch zwei Tage vor der Sendung als Vertreterin der mitbeteiligten Partei akzeptiert worden war - gesprochen hätten. Wie die belangte Behörde dargelegt hat, hat Mag. V das allgemeine Auswahlkriterium für die gegenständliche Diskussionssendung, "Bundesvorsitzende/r" einer im Parlament vertretenen Partei, erfüllt. Das - erst nach der ursprünglich gegebenen Zusage vorgebrachte - Ausschlusskriterium, nicht Spitzenkandidatin bzw Spitzenkandidat einer Partei für den Wahlkampf in Wien 2010 zu sein, hat, wie die belangte Behörde ebenfalls dargelegt hat, auch auf einen weiteren - nicht "ausgeladenen" - Diskussionsteilnehmer zugetroffen.

 

Der belangten Behörde kann daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie im Umstand, dass die bf Partei die stellvertretende Bundessprecherin der G nicht als deren Vertreterin an der am 24. Dezember 2009 um ca 13 Uhr in ORF 2 ausgestrahlten Diskussionsrunde der "Bundesvorsitzenden der politischen Parteien" in der Sendung "Licht ins Dunkel" teilnehmen ließ, eine Verletzung des durch § 4 Abs 5 Z 1 und 2 und § 10 Abs 5 und 6 ORF-G näher ausgeformten Objektivitätsgebotes erkannt hat.