17.09.2012 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Zur Einbeziehung eines über einen Anspruch auf Kündigungsentschädigung verfügenden Arbeitnehmers in einen Pensionskassenvertrag nach Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Arbeitsverhältnis

Für die Überlegung, es wäre trotz Beendigung des Arbeitsverhältnisses möglicherweise doch so zu tun, als stünde der Kläger noch immer in einem aufrechten Arbeitsverhältnis zur Beklagten, besteht keine Grundlage; Schutzzweck der Bewahrung des Arbeitsverhältnisses vor zeitwidrigen Kündigungen ist die Sicherung der Einhaltung der Verpflichtungen des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer, nicht die bloße Hoffnung des Arbeitnehmers auf allfällige künftige freiwillige Leistungen


Schlagworte: Schadenersatzrecht, Kündigungsentschädigung, Pensionskassenvertrag nach Ausscheiden des Arbeitnehmers, künftige freiwillige Leistungen
Gesetze:

§ 29 AngG, § 1162b ABGB, §§ 1295 ff ABGB

GZ 9 ObA 10/12d, 22.08.2012

 

OGH: Im Revisionsverfahren ist unstrittig, dass das vormalige, bis zur Vollendung des 65. Lebensjahrs (im Jahr 2020) befristete Arbeitsverhältnis des Klägers von der Beklagten mit zeitwidriger Kündigung - bereits 18 Jahre vorher - zum 30. 6. 2002 wirksam beendet wurde. Aufgrund des rechtskräftig abgeschlossenen Vorprozesses der Parteien steht fest, dass dem Kläger bis Ende 2020 im Rahmen der ihm zustehenden Kündigungsentschädigung die vertragsgemäßen Entgeltansprüche (vorbehaltlich bestimmter Anrechnungen) zustehen. Weiters wurde im Vorprozess geklärt, dass die Beklagte dem Kläger aufgrund einer direkten Leistungszusage Versorgungsleistungen auf der Grundlage der Ruhegeldordnung vom 1. 1. 1995 zu erbringen haben werde.

 

Der Kläger erfuhr einige Jahre nach der Arbeitgeberkündigung zum 30. 6. 2002, dass nach seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis eine Pensionskassenvereinbarung der Beklagten mit einer Pensionskasse in Kraft getreten war, an der nur Personen teilnahmeberechtigt waren, die in einem aufrechten unbefristeten Arbeitsverhältnis zur Beklagten standen. Dass der Kläger nach dem Regelungswortlaut nicht zu diesem Personenkreis gehört, ist nicht weiter strittig. Dennoch meint er, aufgrund der zeitwidrigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf Einbeziehung in den Pensionskassenvertrag, allenfalls Anspruch auf Einbeziehung in einen erst abzuschließenden, inhaltlich gleichen Pensionskassenvertrag, zu haben. Dem liegt die Vorstellung des Klägers zugrunde, dass er am späteren Pensionskassenvertrag teilgenommen hätte, wenn sein Arbeitsverhältnis nicht von der Beklagten vorher zeitwidrig beendet worden wäre.

 

Spekulationen, ob der Kläger bei aufrechtem Arbeitsverhältnis am Pensionskassenvertrag teilgenommen hätte, obwohl er zufolge Befristung seines Arbeitsverhältnisses nicht zu dem vom Pensionskassenvertrag auf unbefristete Arbeitsverhältnisse abstellenden Teilnehmerkreis gehörte, müssen hier nicht angestellt werden. Der Kläger verknüpft den grundsätzlich richtigen Ansatz, dass aus der Verletzung des Arbeitsvertrags durch den Arbeitgeber Schadenersatzansprüche des Arbeitnehmers resultieren können, mit der in seinen Ausführungen gelegentlich anklingenden Überlegung, er wäre so zu behandeln, als wenn das Arbeitsverhältnis gar nicht beendet worden wäre. Dazu ist klarzustellen, dass das gegenständliche Arbeitsverhältnis durch die zeitwidrige Kündigung der Beklagten beendet wurde, was vom Kläger in seinen sonstigen Ausführungen zutreffend auch gar nicht in Frage gestellt wird. Für die Überlegung, es wäre trotz Beendigung des Arbeitsverhältnisses möglicherweise doch so zu tun, als stünde der Kläger noch immer in einem aufrechten Arbeitsverhältnis zur Beklagten, besteht keine Grundlage.

 

Das Arbeitsverhältnis des Klägers wurde zum 30. 6. 2002 wirksam beendet. Allfällige Erfüllungsansprüche aus der Zeit vor der Beendigung des Arbeitsverhältnisses sind nicht Gegenstand dieses Verfahrens. Es geht hier vielmehr darum, ob der Kläger aus dem Titel des Schadenersatzes geltend machen kann, dass er „eine Gelegenheit versäumt“ hat, die sich erst nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ereignet hat. Für die Situation des Klägers ist zunächst § 29 Abs 1 AngG einschlägig, der - soweit hier relevant - normiert, dass der Arbeitnehmer, wenn er vom Arbeitgeber ohne wichtigen Grund vorzeitig entlassen wird, seine vertragsmäßigen Ansprüche auf das Entgelt für den Zeitraum behält, der bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses durch Ablauf der bestimmten Vertragszeit hätte verstreichen müssen, unter Einrechnung dessen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung erworben oder zu erwerben absichtlich versäumt hat. Diese Regelung wird auch auf die zeitwidrige Arbeitgeberkündigung eines befristeten Arbeitsverhältnisses angewendet.

 

§ 29 Abs 1 AngG war unmittelbar maßgebend für den Vorprozess der Parteien, in dem es um die Entgeltansprüche des Klägers bis zum Ablauf der ursprünglich vorgesehenen Befristung des Arbeitsvertrags im Jahr 2020 und die direkte Leistungszusage der Beklagten aus der Pensionsordnung vom 1. 1. 1995 ging. Im vorliegenden Verfahren geht es um über den Vorprozess hinausgehende Ansprüche des Klägers, für die § 29 Abs 1 AngG nur den Verweis „unbeschadet weitergehenden Schadenersatzes“ bereit hält. Mit diesem Verweis wird klargestellt, dass der Geschädigte gegen den Schädiger (bei Vorliegen der entsprechenden Voraussetzungen) über die „Kündigungsentschädigung“ hinausgehende Schadenersatzansprüche haben kann. Für diese gelten die allgemeinen Schadenersatzregeln des ABGB.

 

Bevor nun auf den auf den Titel des Schadenersatzes gestützten (und von der Vorstellung der „Naturalrestitution“ getragenen) Anspruch des Klägers auf Einbeziehung in den Pensionskassenvertrag eingegangen wird, ist auch noch klarzustellen, dass dem Klagebegehren nicht die Behauptung zugrundeliegt, dass der Kläger beim Vergleich zwischen direkter Leistungszusage und Pensionskasse leistungsmäßig schlechter aussteigen würde. Auch der Kläger räumt ein, dass es bei Beharren auf der direkten Leistungszusage des Arbeitgebers zu keinem Mehr an Leistung durch die Pensionskasse komme. Dem Kläger geht es nur um die Klärung, dass ihm die künftigen Versorgungsleistungen nicht nur von der Beklagten, sondern auch von der Pensionskasse geschuldet werden. In der Schuldnermehrheit sieht der Kläger im Vergleich mit der bloßen Haftung der Beklagten eine Verminderung des Insolvenzrisikos. Dass bei der Beklagten der Insolvenzfall drohe, macht der Kläger nicht geltend.

 

Der Kläger zielt mit seinen Überlegungen darauf ab, dass er durch die zeitwidrige Beendigung seines Arbeitsverhältnisses um die Gelegenheit gebracht wurde, im späteren Verlauf eines ohne zeitwidrige Kündigung noch aufrechten Arbeitsverhältnisses möglicherweise an einem Pensionskassenvertrag teilzunehmen, der ihm zwar nicht ein Mehr an Leistungen, aber durch einen weiteren Mitschuldner eine zusätzliche Absicherung seiner Leistungsansprüche beschert hätte. Die Nichtbegründung einer zugesagten Sicherheit kann nun tatsächlich - ebenso wie der Verlust einer schon bestellten Sicherheit - einen (Vermögens-)Schaden bewirken. Dieser Fall liegt aber hier nicht vor. Der Kläger verfügte im Zeitpunkt des von ihm geltend gemachten schädigenden Ereignisses, der Beendigung des befristeten Arbeitsverhältnisses durch zeitwidrige Kündigung der Beklagten zum 30. 6. 2002, weder über eine von der Beklagten bestellte Sicherheit noch war ihm von der Beklagten die Begründung einer Sicherheit zugesagt worden. Der Kläger befand sich in Bezug auf die spätere Pensionskassenvereinbarung in keiner „geschützten Gelegenheit“. Was der Kläger also seinem Klagebegehren zugrundelegt, ist der bloße Umstand, dass er nach der (wenn auch zeitwidrigen, so doch wirksamen) Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus nach der Beendigung freiwillig (dh ohne Bestehen einer diesbezüglichen Verpflichtung) erbrachten Leistungen seiner früheren Arbeitgeberin keinen Nutzen für sich ziehen konnte.

 

Nicht alles, was subjektiv als „Nachteil“ empfunden wird, ist ersatzfähig. Aufgrund eines rechtswidrigen Verhaltens ist nur für jene Schäden zu haften, welche die übertretene Verhaltensnorm gerade verhindern wollte („Rechtswidrigkeitszusammenhang“). Bei Vertragsverletzungen ist darauf abzustellen, ob die vermeintlich verletzten Interessen im Rahmen der übernommenen Pflichten liegen. Dies ist hier nicht der Fall. Schutzzweck der Bewahrung des Arbeitsverhältnisses vor zeitwidrigen Kündigungen ist die Sicherung der Einhaltung der Verpflichtungen des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer, nicht die bloße Hoffnung des Arbeitnehmers auf allfällige künftige freiwillige Leistungen. Um nichts anderes handelt es sich aber nach der Lage des Falls beim Pensionskassenvertrag nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers. Damit mangelt es dem vom Kläger geltend gemachten Schadenersatzanspruch auf Einbeziehung in einen späteren Pensionskassenvertrag und den daraus abgeleiteten weiteren Ansprüchen (auf Rechnungslegung etc), auf die der Kläger in der Revision nicht mehr weiter eingeht, an der Zurechenbarkeit gegenüber der Beklagten. Die auf den Titel des Schadenersatzes gestützte, aus der zeitwidrigen Kündigung der Beklagten abgeleitete Klageforderung ist schon mangels Vorliegens des gebotenen Rechtswidrigkeitszusammenhangs unbegründet, weshalb es des Eingehens auf die weiteren Einwände der Beklagten und der Vorinstanzen gegen die Berechtigung der Klageforderung nicht bedarf.