03.09.2012 Zivilrecht

OGH: Rechnungslegungsanspruch nach § 830 ABGB

Der Rechnungslegungsanspruch ist nach § 838a ABGB im Außerstreitverfahren geltend zu machen; der Rechnungslegungsanspruch ist - nach allgemeinen Grundsätzen - nur im Fall des Rechtsmissbrauchs zu verneinen


Schlagworte: Miteigentumsrecht, Rechnungslegungsanspruch, Streitigkeiten zwischen Miteigentümern, Rechtsmissbrauch
Gesetze:

§§ 825 ff ABGB, § 830 ABGB, § 838a ABGB, § 1295 Abs 2 ABGB, Art XLII EGZPO

GZ 4 Ob 75/12a, 12.06.2012

 

OGH: Als verwaltender Miteigentümer ist der Antragsgegner nach § 830 Satz 1 ABGB zur Rechnungslegung verpflichtet. Diese Pflicht bezieht sich im konkreten Fall insbesondere auf die Einkünfte aus den Aktien und aus dem (teilweise) an deren Stelle getretenen Verkaufserlös. Der Rechnungslegungsanspruch ist nach § 838a ABGB - ebenso wie jener auf den anteiligen Ersatz von Aufwendungen oder die anteilige Herausgabe von Erlösen - im Außerstreitverfahren geltend zu machen.

 

Feststellungen zur Möglichkeit einer anderweitigen Beschaffung der begehrten Informationen sind nicht erforderlich.

 

Ein Rechnungslegungsanspruch nach Art XLII Abs 1, 1. Fall EGZPO besteht zwar nach der Rsp nur dann, wenn ein bestimmtes Klagebegehren auf Leistung nur mit „erheblichen Schwierigkeiten, die durch eine solche Abrechnung beseitigt werden können“, geltend gemacht werden könnte und dem Verpflichteten die Auskunftserteilung nach redlicher Verkehrsübung „zumutbar“ ist. Diese Erwägungen beziehen sich allerdings, wie der Senat zuletzt in 4 Ob 104/11i dargelegt hat, auf Fälle, in denen ein Rechnungslegungsanspruch nicht ausdrücklich im Gesetz vorgesehen ist, sondern sich erst aus der Auslegung der materiellrechtlichen Grundlage des Leistungsanspruchs ergibt. Soweit der Gesetzgeber demgegenüber selbst eine Rechnungslegungspflicht anordnet, besteht kein Anlass, dies entgegen dem Wortlaut des Gesetzes auf Fälle unmöglicher oder schwieriger Informationsbeschaffung zu reduzieren und überdies eine Zumutbarkeitsprüfung einzuführen. Das gilt insbesondere für den Rechnungslegungsanspruch gegen den Verwalter des gemeinsamen Gutes. Ein solcher Anspruch ist vielmehr - nach allgemeinen Grundsätzen - nur im Fall des Rechtsmissbrauchs zu verneinen. Dies träfe nur bei Schädigungsabsicht oder einem krassen Missverhältnis zwischen dem Interesse des Berechtigten an der Rechnungslegung und jenem des Verpflichteten an deren Unterbleiben zu.

 

Im vorliegenden Fall ergibt sich die Rechnungslegungspflicht des Antragsgegners unmittelbar aus dem Gesetz (§ 830 Satz 1 ABGB). Anhaltspunkte für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Antragstellerin sind nicht einmal ansatzweise erkennbar. Denn selbst wenn sie sich bestimmte Informationen auch anderweitig beschaffen könnte, wäre dies doch jedenfalls mit einem gewissen Aufwand verbunden; demgegenüber fehlt jedes (rechtlich geschützte) Interesse des Antragsgegners am Unterbleiben der Rechnungslegung. Der Rechnungslegungsanspruch besteht daher auch ohne die vom Rekursgericht vermissten Feststellungen dem Grunde nach zu Recht.

 

Dennoch ist es eine Sachentscheidung derzeit noch nicht möglich.

 

Dem Vorbringen der Antragstellerin ist zu entnehmen, dass sie einen Anspruch auf die halben Erträge der zum Nachlass von W***** L***** gehörenden Aktien und des teilweise an deren Stelle getretenen Verkaufserlöses geltend machen will und zu diesem Zweck Rechnungslegung begehrt. Da ideelles Miteigentum besteht, müsste sich diese Rechnungslegung richtigerweise auf die Erträge des gesamten Aktienbestands und des gesamten Verkaufserlöses beziehen; der konkrete Herausgabeanspruch wäre dann nach dem jeweiligen Miteigentumsanteil zu bestimmen. Die Antragstellerin begehrt stattdessen die Rechnungslegung über die Erträge der Hälfte der Aktien und des Erlöses. Wie sich aus Punkt 2 ihres Begehrens ergibt, nimmt sie an, dass ihr diese Erträge zur Gänze zustehen.

 

Mangels bereits erfolgter (realer) Teilung können der Antragstellerin weder bestimmte Aktien noch bestimmte Teile des Erlöses zugeordnet werden; vielmehr besteht das ideelle Miteigentum fort. Damit ist der von ihr gewählte Weg der Anspruchsdurchsetzung verfehlt. Denn für den Antragsgegner ist nicht erkennbar, auf welche Aktien und auf welche Teile des Erlöses sich der Antrag bezieht. Dies unterscheidet den vorliegenden Fall von an sich zulässigen Rechnungslegungs- oder Teilungsbegehren, die sich auf bestimmte Teile der im Miteigentum stehenden Sache oder auf einzelne von mehreren solcher Sachen beziehen. Dass nicht nur die Aktien, sondern auch der Verkaufserlös ein einheitliches Schicksal gehabt hätte, sodass es auf die Zuordnung von jeweils bestimmten Teilen an die beiden Berechtigten nicht ankäme, hat die Antragstellerin nicht behauptet. Die Auffassung des Erstgerichts, dass der Antrag in der konkreten Form nicht erfolgreich sein konnte, trifft daher zu. Selbst wenn aber die konkrete Zuordnung wegen eines einheitlichen Schicksals der Aktien und des Erlöses unerheblich wäre, könnte der Antragstellerin doch nicht unterstellt werden, dass sie ihre Ansprüche als Miteigentümerin nur in Bezug auf die Hälfte der gemeinschaftlichen Sachen geltend machen wollte und damit im Ergebnis nur ein Viertel des Gesamterlöses - dh den ihrem ideellen Hälfteanteil entsprechenden Anteil an den Erträgen der Hälfte der Aktien und des Verkaufserlöses - begehrte.

 

Diese - im erstinstanzlichen Verfahren nicht thematisierte - Unschlüssigkeit des Rechnungslegungsbegehrens ist im fortgesetzten Verfahren mit der Antragstellerin zu erörtern. Weiters wird der Antragstellerin Gelegenheit zu geben sein, ein schlüssiges Vorbringen zum Begehren auf Eidesleistung zu erstatten. Der Antragsgegner weist hier zutreffend darauf hin, dass dieser Anspruch nach stRsp nicht aus dem Bestehen einer Rechnungslegungsverpflichtung folgt. Vielmehr müsste der Berechtigte dartun, dass einzelne Rechnungsposten vermutlich unrichtig oder unvollständig sind.