OGH: Mäßigung gem § 2 DHG
Da eine übermäßige finanzielle Belastung des Dienstnehmers zu einer Existenzgefährdung führen kann, hat nach Abwägung der Mäßigungskriterien bei besonders hohen Schadensbeträgen eine Art Kontrollrechnung stattzufinden, die dem Dienstnehmer die Sicherung der Existenzgrundlage ermöglichen soll; in dieser Hinsicht ist auf die sozialen Verhältnisse des Dienstnehmers, va auf seine Sorgepflichten, seine Einkommensverhältnisse und finanziellen Belastungen sowie seine Vermögensverhältnisse Bedacht zu nehmen
§ 2 DHG
GZ 8 ObA 24/12f, 26.07.2012
OGH: Im Rahmen der Mäßigung nach Billigkeit hat iSe beweglichen Systems eine Gesamtbetrachtung der relevanten Mäßigungskriterien zu erfolgen. Im Rahmen des beweglichen Systems können die Kriterien grundsätzlich sowohl die Mäßigung erhöhen als diese auch wieder vermindern oder aufheben.
Im Allgemeinen lassen sich die Mäßigungskriterien danach ordnen, ob sie dem Betriebsrisiko des Dienstgebers oder der subjektiven Sphäre des Dienstnehmers zugehören.
Vorrangiges Mäßigungskriterium ist das Verschulden. Wenn eine Zuordnung eines Mäßigungselements zum Verschulden möglich ist, so hat diese dort stattzufinden.
Die Verantwortung des Dienstnehmers ist auf seine Stellung bzw Funktion im Betrieb zu beziehen. Besondere Sorgfaltspflichten schlagen sich im Allgemeinen schon im Verschuldensausmaß nieder. Ist eine besondere Verantwortung entsprechend abgegolten, so wirkt sich dies mindernd auf die Mäßigung aus. Eine besondere Verantwortung kann auch durch ein großes Schadensausmaß begründet sein. In § 2 Abs 2 DHG sind noch die (schlechte) Ausbildung des Dienstnehmers (einschließlich geringer Fähigkeiten und Kenntnisse), die (schlechten) Arbeitsbedingungen (einschließlich einer verbesserungsfähigen Betriebsorganisation) und die Schadensgeneigtheit der Tätigkeit als Mäßigungskriterien genannt.
Nach einhelliger Ansicht sind diese Kriterien nur demonstrativ aufgezählt. In der Literatur wird aber teilweise bezweifelt, ob rein subjektive Kriterien, die mit der Arbeitsleistung in keinem Zusammenhang stehen, den gesetzlichen Kriterien gleichwertig sind. Dementsprechend stößt die allgemeine Berücksichtigung der Sorgepflichten des Dienstnehmers, seiner Einkommensverhältnisse und seiner Vermögensverhältnisse (ohne gleichzeitige Berücksichtigung der Vermögensverhältnisse des Dienstgebers) auf Kritik.
Das vorrangige Kriterium der groben Fahrlässigkeit spricht gegen die Erst- und Zweitbeklagten. Die für eine Mäßigung sprechenden Kriterien, wie ihre Verantwortung bei geringem Entgelt und geringen Fähigkeiten sowie der Umstand einer verbesserungswürdigen Betriebsorganisation, bleiben deutlich im Hintergrund. Bei grober Fahrlässigkeit soll nicht zuletzt aus Präventivgründen grundsätzlich ein erheblicher Ersatzbetrag verbleiben. Unter reiner Zugrundelegung der angeführten Mäßigungskriterien scheidet eine deutliche Mäßigung somit aus.
Als Gesamtergebnis der Mäßigung kommt es letztlich aber nicht auf die Haftungs- oder Mäßigungsquote, sondern auf die Belastung des Dienstnehmers an. In dieser Hinsicht ist zu beachten, dass durch die Zahlungspflicht die Existenzgrundlage des Dienstnehmers nicht gefährdet werden darf. Dementsprechend wird in den Gesetzesmaterialien zur DHG-Novelle 1983 festgehalten, dass nunmehr auch im Fall grober Fahrlässigkeit eine Mäßigung der Ersatzpflicht möglich ist, um zu vermeiden, dass die Existenzgrundlagen von Arbeitnehmern gefährdet oder gar vernichtet wird.
Da eine übermäßige finanzielle Belastung des Dienstnehmers zu einer Existenzgefährdung führen kann, hat nach Abwägung der Mäßigungskriterien bei besonders hohen Schadensbeträgen eine Art Kontrollrechnung stattzufinden, die dem Dienstnehmer die Sicherung der Existenzgrundlage ermöglichen soll. In dieser Hinsicht ist auf die sozialen Verhältnisse des Dienstnehmers, va auf seine Sorgepflichten, seine Einkommensverhältnisse und finanziellen Belastungen sowie seine Vermögensverhältnisse Bedacht zu nehmen. Entgegen den Ausführungen in den Rechtsmitteln ist aber weder eine absolute oder relative Untergrenze der Haftung zu definieren noch die Berechnung nach einer festen Formel, etwa in Relation zum Existenzminimum, vorzunehmen. Vielmehr hat eine überschlagsmäßige Kontrolle unter Bedachtnahme auf die rücksichtswürdigen Umstände des Einzelfalls zu erfolgen.