22.08.2012 Sozialrecht

VwGH: Zuerkennung von Arbeitslosengeld eines an einer GesbR Beteiligtem

Auch Gewinnanteile an Unternehmen, die auf Rechnung und Gefahr der Gesellschafter einer GesbR geführt werden, begründen die Pflichtversicherung gem § 2 Abs 1 Z 4 GSVG, sofern das daraus erzielte Einkommen die Versicherungsgrenze übersteigt und die betriebliche Tätigkeit im betreffenden Zeitraum ausgeübt wurde; dabei kommt es nicht auf ein persönliches Tätigwerden der einzelnen Gesellschafter an, solange nur der Betrieb auf Rechnung und Gefahr jedes der Gesellschafter geführt wird; dies ist jedoch dann nicht der Fall, wenn der Betrieb überhaupt nicht - bzw nicht mehr - geführt wird; eine Beendigung oder Unterbrechung der Erwerbstätigkeit kann in einem solchen Fall dann eintreten, wenn alle Gesellschafter der GesbR übereinkommen, den Betrieb einzustellen, mag dies auch nur für eine bestimmte Zeit sein, wie es bei nur saisonal tätigen Unternehmen typischerweise der Fall sein kann


Schlagworte: Arbeitslosenversicherungsrecht, Arbeitslosigkeit, Arbeitslosengeld, selbständig, Gesellschaft bürgerlichen Rechts, Beendigung / Unterbrechung der Erwerbstätigkeit, saisonal tätiges Unternehmen, Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung
Gesetze:

§ 12 AlVG, § 7 AlVG, § 2 Abs 1 Z 4 GSVG

GZ 2010/08/0036, 06.06.2012

 

Der Bf macht geltend, die belangte Behörde sei fälschlicherweise davon ausgegangen, dass er aus seiner Gesellschafterstellung trotz Ruhendmeldung Einkünfte erziele. Seit 1. Mai 2009 arbeite der Bf nicht (in der Gesellschaft) mit und habe folglich kein Recht auf einen allfälligen Gewinn, der in diesem Zeitraum ohnehin nicht erzielt würde. Die belangte Behörde hätte feststellen müssen, ob der Bf ab Ruhendmeldung tatsächlich über Einkünfte aus dem Gesellschaftsverhältnis verfügt habe.

 

Das Schigebiet G., in welchem der Bf als Schilehrer tätig gewesen sei, sei kein Gletscherschigebiet, sondern ein Winterschigebiet. Aufgrund natürlicher Gegebenheiten könne der Bf daher im Zeitraum zwischen Anfang Mai und Ende November keiner Erwerbstätigkeit nachgehen. Eine Schilehrertätigkeit des Bf sei daher aus faktischen und rechtlichen Gründen ab 1. Mai 2009 nicht möglich gewesen, weshalb Einkünfte aus dieser Tätigkeit nicht lukriert würden.

 

Am 3. Juli 2009 habe die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft dem Bf schriftlich bestätigt, dass ab 1. Mai 2009 die Voraussetzungen für den Fortbestand der Pflichtversicherung des Bf als aktiv Erwerbstätiger in der Kranken- und Pensionsversicherung weggefallen seien, weil er den "Nichtbetrieb seines Gewerbes" vom 21. April 2009 bis 30. November 2009 angezeigt habe. Die Pflichtversicherung bestehe daher seit dem 1. Mai 2009 nicht mehr fort und die Erwerbstätigkeit gelte seitdem als beendet.

 

VwGH: Nach dem Spruch des angefochtenen Bescheids wurde ein Antrag des Bf auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld "vom 21.04.2009" abgewiesen (Datum der Geltendmachung laut Antragsformular: 21. April 2009).

 

Der Bf geht in seiner Beschwerde selbst davon aus, dass seine Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem GSVG aufgrund seiner Ruhensanzeige mit dem 1. Mai 2009 endete. Für den Zeitraum bis zum 1. Mai 2009 bestreitet er das Vorliegen einer Pflichtversicherung (auch) in der Pensionsversicherung nach dem GSVG nicht.

 

Nach § 12 Abs 1 AlVG führt jedoch nur eine solche Beendigung der Erwerbstätigkeit zur Arbeitslosigkeit, die auch zur Beendigung der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung iSd Ausnahmetatbestände des § 4 Abs 1 GSVG führt. Eine aufrechte Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem GSVG schließt hingegen Arbeitslosigkeit nach § 12 Abs 1 Z 2 AlVG jedenfalls aus.

 

Aufgrund der für den Zeitraum vom 21. April bis 30. April 2009 unstrittig vorliegenden Pflichtversicherung des Bf in der Pensionsversicherung nach dem GSVG (gem § 2 Abs 1 Z 4 GSVG) war die Beschwerde, soweit sie sich gegen die Nichtzuerkennung von Arbeitslosengeld in diesem Zeitraum richtet, daher gem § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

 

Für die Zeit ab dem 1. Mai 2009 verneint die belangte Behörde das Vorliegen von Arbeitslosigkeit aufgrund der Tatbestände des § 12 Abs 1 Z 1 und Z 2 AlVG. Zum einen habe der Bf seine Erwerbstätigkeit als Schilehrer nicht beendet und zum anderen bestehe eine Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem GSVG weiter fort.

 

Nach dem Wortlaut des § 12 Abs 1 AlVG sind die in Z 1 bis 3 dieser Bestimmung festgelegten Voraussetzungen kumulativ zu erfüllen (arg: "und" am Ende der Z 2); es ist daher nicht nur erforderlich, dass die Erwerbstätigkeit beendet ist, sondern dass darüber hinaus (abgesehen von hier nicht relevanten Ausnahmen) auch keine Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung mehr besteht, sowie dass schließlich keine "neue oder weitere" Erwerbstätigkeit ausgeübt wird.

 

Hinsichtlich des Tatbestands des § 12 Abs 1 Z 1 AlVG ging die belangte Behörde davon aus, dass der Bf seine selbständige Erwerbstätigkeit deshalb nicht beendet habe, da seine Gesellschafterstellung in der Schischule A. - nach den Feststellungen eine GesbR - weiterhin bestanden habe. Die Begründung des angefochtenen Bescheids verweist diesbezüglich auf die Rsp des VwGH zum Fortbestehen der selbständigen Erwerbstätigkeit bei Gesellschaftern einer Offenen Gesellschaft oder einer Kommanditgesellschaft.

 

In seinem Erkenntnis vom 14. Jänner 2004, 2000/08/0108, hat der VwGH (unter Bezugnahme auf die Rechtslage vor der Novelle BGBl I Nr 104/2007 und mit Verweisen auf die Vorjudikatur) zum damaligen § 12 Abs 1 iVm Abs 3 lit b AlVG ausgeführt, dass der nach dem Gesetz zur Geschäftsführung verpflichtete und zur Vertretung ermächtigte Komplementär einer KG, dessen Befugnisse vertraglich nicht eingeschränkt sind, jedenfalls schon auf Grund seiner Gesellschafterstellung und solange er sie inne hat, selbständig erwerbstätig ist. Nach stRsp des VwGH gilt auch ein Geschäftsführer einer GmbH, dessen Organschaftsverhältnis zur Gesellschaft noch nicht erloschen ist, als selbständig erwerbstätig und damit als nicht arbeitslos iS dieser Bestimmungen, ohne dass es darauf ankommt, ob der Geschäftsführer tatsächlich eine Tätigkeit entfaltet oder ob er ein Entgelt erhält (vgl das Erkenntnis vom 19. Oktober 2011, 2008/08/0199, uva; weiters zum unbeschränkt haftenden Gesellschafter einer OHG das Erkenntnis vom 22. Dezember 1999, 97/08/0565; zum Kommanditisten, dem Einflussmöglichkeiten auf die Geschäftsführung eingeräumt wurden, das Erkenntnis vom 30. September 1994, 93/08/0175; sowie zu Mitgliedern der Leitungsorgane von Vereinen das Erkenntnis vom 20. Dezember 2006, 2005/08/0102).

 

Betreffend eine Beteiligung an einer GesbR hat der VwGH ausgesprochen, dass auch Gewinnanteile an Unternehmen, die auf Rechnung und Gefahr der Gesellschafter einer GesbR geführt werden, die Pflichtversicherung gem § 2 Abs 1 Z 4 GSVG begründen, sofern das daraus erzielte Einkommen die Versicherungsgrenze übersteigt und die betriebliche Tätigkeit im betreffenden Zeitraum ausgeübt wurde. Dabei kommt es nicht auf ein persönliches Tätigwerden der einzelnen Gesellschafter an, solange nur der Betrieb auf Rechnung und Gefahr jedes der Gesellschafter geführt wird. Dies ist jedoch dann nicht der Fall, wenn der Betrieb überhaupt nicht - bzw nicht mehr - geführt wird.

 

Eine Beendigung oder Unterbrechung der Erwerbstätigkeit kann in einem solchen Fall dann eintreten, wenn alle Gesellschafter der GesbR übereinkommen, den Betrieb einzustellen, mag dies auch nur für eine bestimmte Zeit sein, wie es bei nur saisonal tätigen Unternehmen, wie hier einer Schischule, typischerweise der Fall sein kann (vgl nunmehr auch die Bestimmung über das Ruhen des Betriebes einer Schischule in § 11a Tiroler Schischulgesetz nach der Novelle LGBl Nr 47/2010).

 

Hat demnach nicht nur der Bf selbst seine Tätigkeit als selbständiger Schilehrer im Rahmen der GesbR beendet (wobei festzuhalten ist, dass im hier vorliegenden Verfahren nicht zu prüfen war, ob die konkrete Tätigkeit des Bf tatsächlich als selbständige Erwerbstätigkeit zu qualifizieren war), sondern wurde der gesamte auf Rechnung und Gefahr der Gesellschafter der GesbR geführte Betrieb (Schischule) für einen bestimmten Zeitraum eingestellt, so wäre es - unter der weiteren Voraussetzung, dass der Gesellschafter auch nicht auf andere Weise, etwa als selbständiger Bergführer, als "neuer Selbständiger" iSd § 2 Abs 1 Z 4 GSVG weiter erwerbstätig war - zu einer Beendigung (Unterbrechung) der Pflichtversicherung des Bf in der Pensionsversicherung nach § 2 Abs 1 Z 4 GSVG gekommen.

 

Die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides hängt daher davon ab, ob die von der GesbR betriebene Schischule tatsächlich im hier relevanten Zeitraum vollständig eingestellt wurde. Die vom Bf vorgelegte "Ruhens- und Wiederaufnahmeanzeige" kann - ungeachtet der Frage, wie sie nach dem Tiroler Schischulgesetz in der hier maßgebenden Fassung vor Inkrafttreten der Novelle LGBl Nr 47/2010 rechtlich zu qualifizieren ist - zwar ein Indiz dafür darstellen, dass der Bf nicht mehr persönlich als Schilehrer tätig war, belegt aber für sich nicht, dass der Betrieb der Schischule eingestellt war. Die belangte Behörde hat - ausgehend von ihrer unrichtigen Rechtsansicht, dass die bloße Eigenschaft eines Gesellschafters einer GesbR bereits eine selbständige und im konkreten Fall die Arbeitslosigkeit ausschließende Erwerbstätigkeit begründe - zu dieser Frage keine Feststellungen getroffen und damit den angefochtenen Bescheid mit einem sekundären Verfahrensmangel belastet.

 

Wenn die belangte Behörde die Nichtbeendigung der selbständigen Erwerbstätigkeit weiters daraus ableitet, dass der Bf über den 30. April 2009 hinaus pflichtversichert in der Pensionsversicherung nach dem GSVG gewesen sein soll, verkennt sie, dass das (angebliche) Vorliegen einer Pflichtversicherung nach dem GSVG für sich nicht hinreicht, um zu begründen, dass eine selbständige Erwerbstätigkeit iSd Z 1 nicht beendet worden sei, zumal das Ende der Erwerbstätigkeit nicht zwingend mit dem Ende der Pflichtversicherung zusammenfallen muss.

 

Die belangte Behörde bejahte schließlich im Hinblick auf das Kriterium des § 12 Abs 1 Z 2 AlVG das Vorliegen einer Pflichtversicherung des Bf in der Pensionsversicherung nach dem GSVG und begründete dies mit einer Auskunft der Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft vom 4. Juni 2009, wonach der Bf aufgrund seiner Tätigkeit als Schilehrer "ab 1. Jänner 2008 bis laufend" der Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung nach dem GSVG unterlegen sei. Die belangte Behörde sei an diese "Beurteilung der Vorfrage" der Sozialversicherungsanstalt gebunden.

 

Dazu ist festzuhalten, dass diese Mitteilung mit E-Mail vom 4. Juni 2009 schon deshalb keine für die belangte Behörde bindende Vorfragenentscheidung darstellen kann, da es sich dabei um keine bescheidmäßige Erledigung handelte. Aus welchen Gründen die Sozialversicherungsanstalt zum Zeitpunkt dieser Auskunft von einer aufrechten Pensionsversicherung ausging (der Bf führt dies auf eine noch nicht erfolgte Bearbeitung seiner Ruhensanzeige zurück) ist im Ergebnis unbeachtlich: Da die Vorfrage, ob über den 30. April 2009 hinaus Pflichtversicherung in der Pensionsversicherung bestand, weder rechtskräftig entschieden war, noch darüber ein Verfahren bei der zuständigen Behörde anhängig war oder anhängig gemacht wurde, hatte die belangte Behörde diese Vorfrage gem § 38 AVG selbst zu beurteilen.

 

Auch zur Beurteilung dieser Frage kommt es allerdings iSd obigen Ausführungen darauf an, ob die auf Rechnung und Gefahr der GesbR betriebene Schischule tatsächlich eingestellt war und der Bf auch nicht darüber hinaus weiter selbst als neuer Selbständiger erwerbstätig war.