OGH: Terminsverlust iSd § 13 KSchG aF
§ 13 KSchG wurde durch das Darlehens- und Kreditrechts-Änderungsgesetz BGBl I 2010/28 aufgehoben und trat mit Ablauf des 10. 6. 2010 außer Kraft; diese Bestimmung ist jedoch weiterhin auf Verträge anzuwenden, die vor dem 11. 6. 2010 abgeschlossen wurden
§ 13 KSchG aF
GZ 9 Ob 69/11d, 29.05.2012
OGH: § 13 KSchG wurde durch das Darlehens- und Kreditrechts-Änderungsgesetz BGBl I 2010/28 aufgehoben und trat mit Ablauf des 10. 6. 2010 außer Kraft. Diese Bestimmung ist jedoch weiterhin auf Verträge anzuwenden, die vor dem 11. 6. 2010 abgeschlossen wurden. Im Verfahren ist nicht strittig, dass Verträge, für die das hier zu beurteilende Klauselwerk verwendet wurde, zwischen der Beklagten und ihren Kunden vor diesem Zeitpunkt abgeschlossen wurden und infolge der vereinbarten Dauer des Kündigungsverzichts zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung erster Instanz noch wirksam waren. Da das Verbot des § 28 Abs 1 Satz 1 KSchG auch das Verbot einschließt, sich auf eine solche Bedingung in Allgemeinen Bedingungen oder Vertragsformblättern zu berufen, die unzulässigerweise vereinbart wurde (§ 28 Abs 1 Satz 2 KSchG), kommt diese Bestimmung für die genannten „Altverträge“ zur Anwendung.
Zutreffend weist allerdings die Beklagte darauf hin, dass § 13 KSchG - wenn auch möglicherweise ungewollt - ersatzlos aufgehoben wurde. Diese Bestimmung ist daher auf nach dem 10. 6. 2010 von der Beklagten abgeschlossene Mitgliedsvereinbarungen nicht anzuwenden und kann auch in Zukunft kein Prüfungsmaßstab sein. Für nach diesem Zeitpunkt abgeschlossene Verträge hat ebenso wie für die zukünftige Verwendung der angefochtenen Klausel die Prüfung daher auf Grundlage des § 879 Abs 3 ABGB zu erfolgen.
Zu den „Altverträgen“:
Gem § 13 KSchG darf der Unternehmer das ihm vertraglich vorbehaltene Recht des Terminsverlusts nur ausüben, wenn er selbst seine Leistungen bereits erbracht hat, zumindest eine rückständige Leistung des Verbrauchers seit mindestens sechs Wochen fällig ist sowie der Unternehmer den Verbraucher unter Androhung des Terminsverlusts und unter Setzung einer Nachfrist von mindestens zwei Wochen erfolglos gemahnt hat. Von den Voraussetzungen des § 13 KSchG darf gem § 2 Abs 2 KSchG zu Lasten eines Verbrauchers nicht abgewichen werden. Fehlt nur eine der Voraussetzungen des § 13 KSchG, so kann der vereinbarte Terminsverlust nicht geltend gemacht werden.
Die Regelung des § 13 KSchG gilt für alle Verbraucherverträge, daher auch für Verträge über wiederkehrende Leistungen wie die hier zu beurteilende Mitgliedsvereinbarung über die Benützung eines Fitness-Studios, sofern der Unternehmer dabei Vorausleistungen erbringt und daraus eine Diskrepanz zu den vom Verbraucher zu leistenden Geldbeträgen entsteht. § 13 KSchG erfasst daher etwa das Finanzierungsleasing.
Haben Unternehmer und Verbraucher hingegen ihre Leistungen in Teilen zu erfüllen, so ist eine Anwendung des § 13 KSchG überhaupt nur in jenen Fällen denkbar, in denen die Vertragserfüllung von vornherein für einen zeitlich begrenzten Rahmen festgelegt ist. Nur in diesem Fall ist der Verbraucher in der Lage, den ihn durch den Terminsverlust treffenden Umfang der Leistungen festzustellen. Soweit eine vorzeitige Leistungserbringung durch den Unternehmer nicht in Betracht kommt, wie etwa bei Vermieterleistungen, kann sich der Terminsverlust nur auf solche Verbindlichkeiten des Schuldners erstrecken, denen bereits erbrachte Leistungen des Unternehmers entsprechen.
Das Argument der Beklagten, dass sie ihre Leistungen bereits zur Gänze erbracht habe, weil sie dem Kunden, der einen Kündigungsverzicht vereinbart habe, eine Mitgliedskarte (Chipkarte) übergeben habe, mit der er während der gesamten Vertragsdauer (auch im Fall des Eintritts des Terminsverlusts) die Leistungen der Beklagten in Anspruch nehmen könne, überzeugt nicht. Insbesondere stellt die bloße Zurverfügungstellung einer Trainingsgelegenheit noch keine Vorausleistung iSd § 13 KSchG dar, wie sie etwa bei Übergabe eines Kaufgegenstands unter Eigentumsvorbehalt im Fall eines ratenfinanzierten Kaufs oder der Finanzierung der Anschaffung einer beweglichen körperlichen Sache durch ein Kreditinstitut vorliegt. Auch wenn man mit der Beklagten davon ausgeht, dass der Kunde selbst bei Zahlungsverzug die Trainingsmöglichkeiten weiterhin nützen kann, ändert dies nichts daran, dass die Beklagte die vertraglich geschuldeten Leistungen („Besuch und Nutzung sämtlicher dem Training dienenden Einrichtungen des Fitnessclubs“) wie bei einem Miet- oder Dienstleistungsvertrag nicht im Vorhinein erbringen kann. Schon daher kommt der in diesem Zusammenhang behaupteten Mangelhaftigkeit des Verfahrens keine rechtliche Erheblichkeit zu.
Auch aus den von ihr zitierten Entscheidungen ist für den Rechtsstandpunkt der Beklagten nichts zu gewinnen. Der in der Entscheidung 6 Ob 805/81 entschiedene Sachverhalt ist nicht mit dem nunmehr vorliegenden zu vergleichen. Der damals beklagte Unternehmer hatte seine vertragliche Leistung (Herstellung gesellschaftlicher Kontakte zur Partnervermittlung) bereits durch Übergabe sämtlicher vertraglich vereinbarter Anforderungskarten, deren Einsendung und Beantwortung allein vom Willen des Kunden abhängig war, erfüllt. In der Entscheidung 6 Ob 551/94, die ebenfalls ein Fitness-Studio betraf, verstieß die damals vereinbarte Terminsverlustklausel gegen § 13 KSchG, weil sie den Zeitraum für die fällige Leistung verkürzte und überdies die Androhung des Terminsverlusts unter Setzung einer Nachfrist fehlte, sodass schon daher eine Auseinandersetzung mit den weiteren von § 13 KSchG geforderten Voraussetzungen nicht erforderlich war. Dies gilt schließlich auch für die Entscheidung 9 Ob 66/08h, in der die Klausel ebenfalls bereits aus anderen Gründen nicht den Anforderungen des § 13 KSchG genügte.
Die Terminsverlustklausel in Punkt 4 des Mitgliedsvertrags entspricht daher nicht den gesetzlichen Anforderungen des § 13 KSchG, weshalb die Beklagte nicht berechtigt ist, sich in den mit ihren Kunden vor dem 11. 6. 2010 geschlossenen Verträgen auf sie zu berufen.
Zur Beurteilung der Terminsverlustklausel für die „Neuverträge“ gem § 879 Abs 3 ABGB:
Die Beklagte argumentiert in der Revision, dass Terminsverlustklauseln allgemein weder überraschend noch gröblich benachteiligend gem § 879 Abs 3 ABGB wären, was ebenso für die Vereinbarung eines „einmaligen Pauschalbetrags“ für die Zeit des Kündigungsverzichts gelte. Die hier zu leistende Vorauszahlung sei schon deshalb zulässigerweise vereinbart, weil sie ohnedies in Raten bezahlt werden könne, sodass die Vertragskonstruktion für den Kunden günstiger sei.
Die Beklagte übersieht, dass eine Verpflichtung zur „Vorauszahlung“ von Mitgliedsbeiträgen nach der Mitgliedsvereinbarung überhaupt nur dann entstehen kann, wenn der Kunde in qualifizierten Verzug gerät. Daran ändert nichts, dass die für den Zeitraum des Kündigungsverzichts zu zahlenden Raten in ihrer Gesamtheit im Vertrag als (im Übrigen gar nicht bezifferter) „Pauschalbetrag“ bezeichnet werden. Die Parteien der Mitgliedsvereinbarung erbringen wie bei einem Miet- oder Dienstleistungsvertrag ihre Leistungen in Teilen. Die Wirksamkeit der Terminsverlustklausel hätte daher zur Folge, dass der Kunde eine Vorausleistung („die ausständigen Raten des Pauschalbetrags“) erbringen muss für Gegenleistungen, nämlich die Zurverfügungstellung der Trainingsmöglichkeit, die er zu diesem Zeitpunkt noch gar nicht erhalten hat.
Selbst wenn man für eine solche, durch den vereinbarten Terminsverlust bewirkte Vorleistung wiederum die von der Beklagten ins Treffen geführten wirtschaftlichen Investitionen und den niedrigeren Tarif infolge des vereinbarten Kündigungsverzichts ins Treffen führen wollte, wäre für die Beklagte daraus nichts zu gewinnen: Gem § 6 Abs 1 Z 6 KSchG sind nämlich für den Verbraucher solche Vertragsbestimmungen iSd § 879 ABGB nicht verbindlich, nach denen das Recht des Verbrauchers, seine Leistung nach § 1052 ABGB bis zur Bewirkung oder Sicherstellung der Gegenleistung zu verweigern, für den Fall ausgeschlossen oder eingeschränkt wird, dass der Unternehmer seine Leistung nicht vertragsmäßig erbringt oder ihre Erbringung durch seine schlechten Vermögensverhältnisse, die dem Verbraucher zur Zeit der Vertragsschließung weder bekannt waren noch bekannt sein mussten, gefährdet ist. Diese Bestimmung schließt zwar die Vereinbarung einer Vorausleistung durch den Verbraucher nicht von vornherein aus. Dies gilt aber nicht, wenn dessen Leistungsverweigerungsrecht umgangen wird.
Genau dies kann jedoch hier nach der kundenfeindlichsten Auslegung der Mitgliedsvereinbarung nicht ausgeschlossen werden, weil für den Zeitraum des vereinbarten Kündigungsverzichts auch in dem Fall, in dem der Kunde aus von der Beklagten zu vertretenden Gründen deren Leistungen nicht in Anspruch nehmen kann, kein Zurückbehaltungsrecht für die infolge eines Terminsverlusts bereits vorweg bezahlten Mitgliedsbeiträge bestünde. Der Kunde wäre in diesem Fall vielmehr an den Vertrag für die Dauer des vereinbarten Kündigungsverzichts gebunden.
Aus all dem ergibt sich eine gröbliche Benachteiligung der Rechtsposition des Kunden gem § 879 Abs 3 ABGB durch die Terminsverlustklausel in Punkt 4 der Mitgliedsvereinbarung. Dieses Ergebnis steht auch im Einklang mit den konsumentenschutzrechtlichen Wertungen des Gesetzgebers im Verbraucherkreditgesetz (VKrG BGBl I 2010/28). Die Regelung des § 13 KSchG wurde nämlich inhaltlich unverändert in das Verbraucherkreditgesetz eingebettet (§ 14 Abs 3 VKrG). Auch im (hier unstrittig nicht gegebenen) Anwendungsbereich dieses Gesetzes setzt daher die wirksame Vereinbarung einer Terminsverlustklausel voraus, dass der Kreditgeber seine Leistungen bereits erbracht hat.