16.07.2012 Zivilrecht

OGH: Verbandsklage gem § 28 KSchG iZm Kreditvertrags-AGB

Ausführungen zu einzelnen Klauseln


Schlagworte: Konsumentenschutzrecht, Verbandsklage, Kreditverträge
Gesetze:

§ 28 KSchG, § 879 Abs 3 ABGB, § 6 Abs 3 KSchG

GZ 8 Ob 49/12g, 30.05.2012

 

Die Beklagte betreibt das Bankgeschäft und schließt ua auch mit Verbrauchern im gesamten Bundesgebiet regelmäßig Kreditverträge ab, denen sie ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen (idF August 2009, gültig ab 1. 11. 2009) zu Grunde legt. Die vom Kläger beanstandeten Klauseln lauten:

 

„Allgemeiner Teil

...

VI Sicherheiten

 

A Bestellung und Verstärkung von Sicherheiten

 

1 Anspruch auf Bestellung

 

Z 47 Das Kreditinstitut kann vom Kunden für alle Ansprüche aus der mit ihm bestehenden Geschäftsverbindung die Bestellung angemessener Sicherheiten innerhalb angemessener Frist verlangen, und zwar auch dann, wenn die Ansprüche bedingt, befristet oder noch nicht fällig sind.

 

2 Veränderung des Risikos

 

Z 48 (1) Wenn nachträglich Umstände eintreten oder bekannt werden, die eine erhöhte Risikobewertung der Ansprüche gegen den Kunden rechtfertigen, ist das Kreditinstitut berechtigt, die Bestellung oder Verstärkung von Sicherheiten innerhalb angemessener Frist zu verlangen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kunden nachteilig verändert haben oder zu verändern drohen oder die vorhandenen Sicherheiten sich wertmäßig verschlechtert haben oder zu verschlechtern drohen.

 

(2) Dies gilt auch, wenn bei Entstehen der Ansprüche die Bestellung von Sicherheiten nicht verlangt wurde.

...

 

Besondere Geschäftsarten

...

 

IV Fremdwährungskredite

 

Z 75 ... Das Kreditinstitut ist auch berechtigt, einen in fremder Währung aushaftenden Schuldsaldo unter Anzeige an den Kunden in inländische Währung umzuwandeln, wenn

 

- sich durch die Kursentwicklung der fremden Währung das Kreditrisiko erhöht und das Kreditinstitut innerhalb angemessener Frist keine ausreichende Sicherheit erlangt oder

 

- … .“

 

 

OGH: Klausel Z 47:

 

Die Klausel knüpft das Recht der Bank auf das Verlangen von Sicherheiten an eine angemessene Frist. Nach dem Eindruck für einen durchschnittlichen Verbraucher kann das Verlangen der Bank jederzeit erfolgen. Ein Zusammenhang zur Anspruchsentstehung, also zur Kreditaufnahme, lässt sich der Klausel nicht entnehmen. Aus der Überschrift lässt sich in dieser Hinsicht keine Aufklärung gewinnen. Zu dem von der Beklagten ins Treffen geführten Regelungszusammenhang verlangt das Transparenzgebot, dass dieser Zusammenhang zu einer anderen Klausel klar ersichtlich ist. Auch iZm der Klausel Z 48 ergibt sich für den durchschnittlichen Verbraucher bei kundenfeindlicher Auslegung nicht eindeutig das Verständnis, dass Z 47 nur die ursprüngliche Sicherheitenbestellung bei Kreditaufnahme betrifft. Vielmehr kann der Verbraucher Z 48 als Sonderfall der nachträglichen Risikoerhöhung und Z 47 als allgemeine Regel für alle anderen Fälle verstehen, gleich, ob sie sich auf ursprüngliche oder nachträgliche Umstände beziehen. Einen Querverweis enthält die Klausel nicht. Die Dauer der Frist ist nicht einmal ansatzweise erklärt. Auch in dieser Hinsicht überlässt die Klausel die Entscheidung scheinbar dem Belieben der Bank. Der Hinweis der Beklagten, dass die Angemessenheit der Frist im Individualprozess geprüft werden könne, spricht gerade gegen die Transparenz der Klausel.

 

Nicht näher erklärt wird auch, was unter angemessenen Sicherheiten zu verstehen ist. In der Klausel wird keine Relation zum Kreditobligo angesprochen. Dass eine hypothekarische Besicherung nur im Ausmaß von 140 % banküblich sein soll, zählt nicht zum Wissensstand eines durchschnittlichen Verbrauchers. Davon abgesehen ergibt sich aus der Revision deutlich, dass sich die Beklagte auf eine Pfandquote von 130 % bis 140 % gar nicht festlegen will, zumal sie ausführt, dass an einer Deckung nach § 1374 ABGB (nach ihrem Verständnis im Ausmaß von 200 %) in aller Regel kein berechtigtes Interesse bestehe. Der von der Beklagten behauptete Regelungszusammenhang zu Z 52 ist für einen durchschnittlichen Verbraucher nicht überschaubar. Eine Beschränkung auf das (objektiv) berechtigte Sicherungsinteresse lässt sich der Klausel nicht entnehmen. Überdies spricht auch die Wendung „berechtigtes Sicherungsinteresse“ für einen freien Beurteilungsspielraum der Bank. Nach dem verschafften Eindruck kann somit die Bank über die Angemessenheit der verlangten Sicherheiten entscheiden. Auch in diesem Zusammenhang bezieht sich die Beklagte wieder darauf, dass im Streitfall die Frage der Angemessenheit gerichtlich zu klären sei.

 

Nach dem Gesamteindruck vermittelt die Klausel Z 47 einem verständigen Verbraucher bei kundenfeindlichster Auslegung den Eindruck, der Bank stehe es frei, jederzeit nach eigenem Ermessen Sicherheiten (Pfandrechte) zu verlangen. Sie verschafft damit ein unklares Bild über die Rechte des Kunden und die Tragweite der Regelung. Die beanstandete Klausel ist bei Anwendung des gebotenen strengen Beurteilungsmaßstabs intransparent und damit unwirksam.

 

Klausel Z 48:

 

Die Klausel gibt der Bank nach dem Verständnis eines durchschnittlichen Verbrauchers das Recht, Sicherheiten zu verlangen, wenn nachträglich eine erhöhte Risikobewertung eintritt. Als (nachträgliche) relevante Umstände sind „insbesondere“ die nachteilige Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Kunden und die wertmäßige Verschlechterung der vorhandenen (bestellten) Sicherheiten genannt. Weitere Parameter sind nicht erwähnt. Für den Verbraucher ist nicht überschaubar, dass auch die von der Beklagten genannten Kriterien der Verringerung des Einkommens und des Ansteigens des Wechselkurses einer Fremdwährung erfasst sein sollen. Die wirtschaftlichen Verhältnisse des Kunden sind nicht näher beschrieben.

 

Der Hinweis der Beklagten auf die Fälle eines Geschäftsirrtums ist schon deshalb nicht zielführend, weil die Beklagte selbst davon ausgeht, dass sich die Klausel in erster Linie auf nachträglich eintretende Umstände bezieht. Außerdem lässt die Beklagte die allgemeinen Voraussetzungen für eine Irrtumsanfechtung nach § 871 ABGB unberücksichtigt. Schließlich besteht auch kein einseitiges Recht auf eine Vertragsanpassung.

 

Mit Rücksicht auf das Transparenzgebot ist aber maßgebend, dass die Entscheidung über den Eintritt einer relevanten Veränderung nach dem vermittelten Eindruck im beliebigen Ermessen der Bank gelegen ist. Dieses Verständnis wird durch den Begriff der „Risikobewertung“, der auf einen Vorgang bei der Bank hinweist, verstärkt. So bleibt unklar, auf welcher Grundlage die Entscheidung erfolgt und in welchem Ausmaß eine Änderung eintreten muss. Auch hier nimmt die Beklagte wieder auf einen Individualprozess Bezug, indem sie darauf hinweist, dass im Streitfall das Gericht entscheiden müsse, ob sich das Risiko objektiv erhöht habe.

 

Unklar ist va auch der Umfang der Verstärkung der Sicherheiten. Eine Relation zur Erhöhung des Risikos bzw zum Wertverlust wird nicht hergestellt. In der Klausel ist nicht einmal das (intransparente) Kriterium der Angemessenheit wie in Z 47 enthalten. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist eine derartige Einschränkung gerade nicht aus dem Zusammenhang zu Z 47 erschließbar.

 

Die Dauer der (angemessenen) Frist ist auch in dieser Klausel nicht ansatzweise erklärt. Auch diese Klausel überlässt die Entscheidung scheinbar dem Belieben der Bank.

 

Nach dem Gesamteindruck vermittelt auch diese Klausel den Eindruck, der Bank stehe es nach ihrer eigenen Einschätzung einer Risikoerhöhung frei, Sicherheiten nachzuverlangen. Diese Klausel hält dem Transparenzgebot ebenfalls nicht stand.

 

Klausel Z 75:

 

Diese Klausel enthält das Recht der Beklagten auf vorzeitige Konvertierung eines Fremdwährungskredits, sofern sie bei Erhöhung des Kreditrisikos durch die Kursentwicklung nicht innerhalb angemessener Frist ausreichende Sicherstellung erlangt.

 

Auch wenn sich aus der Klausel allein (siehe aber Z 23 Abs 2) kein vorzeitiges Rücktrittsrecht (vgl § 6 Abs 2 Z 1 KSchG) ergibt, handelt es sich unbestritten um ein vorzeitiges Umwandlungsrecht. Auch ein solches Recht darf nicht in allen Fällen einer Risikoerhöhung zustehen. Vielmehr muss es sachlich gerechtfertigt sein und daher auf eine Gefährdung der Rechtsstellung der Bank Bedacht nehmen. Auch die von der Beklagten in der Revision dargelegten Abwägungskriterien (aushaftendes Obligo, Vertragslaufzeit, allgemeine Bonität des Kunden) spiegeln sich in der Klausel nicht wider.

 

Außerdem ist der Kläger mit dem Argument im Recht, dass gewisse Kursschwankungen für die Bank vorhersehbar sind und keine Umwandlung rechtfertigen. Entgegen der Ansicht der Beklagten ergibt sich aus der Klausel nicht, dass Kursschwankungen im kleinen Umfang unberücksichtigt bleiben.

 

Die Klausel spricht davon, dass die Bank bei einer Erhöhung des Kreditrisikos eine (weitere) Sicherstellung zu erlangen hat. Eine Konvertierung ist aber auch dann nicht gerechtfertigt, wenn die schon bestellten Sicherheiten das erhöhte Risiko der Bank abdecken. Auch darauf nimmt die Klausel nicht Bedacht.

 

Mit Bezug auf das Transparenzgebot ist entscheidend, dass für das Unterbleiben der Konvertierung eine ausreichende Sicherstellung in angemessener Frist verlangt wird. Unklar ist wiederum der Umfang der zusätzlichen Sicherheiten. Auch die Dauer der Frist ist nicht bestimmt.

 

Insgesamt ist auch diese Klausel intransparent. Mangels geltungserhaltender Reduktion im Verbandsprozess hat sie keinen Bestand. Die Beurteilung zum Ausmaß der Risikoerhöhung bezieht sich darüber hinaus auf einen Verstoß gegen § 879 Abs 3 ABGB.