OGH: Aufgrund Intervention des früheren Arbeitgebers nicht zustande gekommenes neues Arbeitsverhältnis – Bemessung der Schadenshöhe
Der aus dem schuldhaften und rechtswidrigen Verhalten der Beklagten resultierende Schaden ist von der Klägerin zu behaupten und zu beweisen; der Schaden ist in dem Nachteil zu sehen, der sich sonst in der künftigen Entwicklung nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge ohne das rechtswidrige Verhalten ergeben hätte; die von den Vertragsparteien in ihrer Befristung bzw der Wahl der Kündigungstermine für eine rechtskonforme Auflösung vorgenommene Einschätzung bildet durchaus eine geeignete Orientierung für den „gewöhnlichen Verlauf der Dinge“ als Vergleichsmaßstab für die Feststellung des Schadens aus dem Verlust der bloßen Erwerbsgelegenheit
§§ 1295 ff ABGB, § 1157 ABGB, § 18 AngG
GZ 9 ObA 56/11t, 30.04.2012
Das Berufungsgericht verwies darauf, dass bei der Bemessung der Schadenshöhe auch die Befristung des Dienstvertrags zu berücksichtigen sei. Es sei zwar zu § 1325 ABGB geklärt, dass auch der nach dem gewöhnlichen Verlauf zu erwartende künftige Verdienstentgang gefordert werden könne, jedoch sei hier keine Körperverletzung eingetreten, sondern nur eine bestimmte Erwerbsgelegenheit beeinträchtigt worden. Ausgehend davon sei bei dem befristeten Dienstverhältnis zwar ein adäquater Risikozusammenhang zwischen den drei Monaten der Befristung zu bejahen, nicht jedoch für einen darüber hinausgehenden Schadensverlauf „ad infinitum“ quasi iSe „pragmatisierten Dienstverhältnisses“. Selbst bei besonders geschützten Bestandverhältnissen werde der Schadenersatzanspruch bei unberechtigten Entlassungen mit sechs Monaten bemessen. Zu den Schadenersatzansprüchen von diskriminierten Bewerbern nach dem GlBG werde davon ausgegangen, dass der Schadenersatzanspruch mit dem Entgelt bis zum nächsten regulären Kündigungstermin bzw mit dem Ablauf einer vereinbarten Befristung begrenzt sei. Dass die Klägerin in diesen ersten drei Monaten einen ihr zumutbaren Erwerb ausgeschlagen habe, sei auch von den Beklagten nicht vorgebracht worden. Es fehle allerdings noch an den Voraussetzungen für die Feststellung des Nettoschadens, sodass insoweit das Verfahren an die erste Instanz zurückzuverweisen sei.
OGH: § 1293 ABGB sieht allgemein vor, dass als „Schade“ jeder Nachteil beurteilt wird, welcher jemandem am Vermögen, Rechten oder seiner Person zugefügt worden ist. Davon unterschieden wird der Entgang des Gewinns, den jemand nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwarten hatte.
Hier geht es nun darum, dass die neue Arbeitgeberin im Rahmen der ihr zustehenden rechtlichen Möglichkeiten aufgrund der negativen Intervention der Beklagten das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin letztlich nicht eingegangen ist. Die neue Arbeitgeberin wurde nicht zu einem „Vertragsbruch“ verleitet. Damit unterscheidet sich der hier vorliegende Anspruch auch von jenem der Kündigungsentschädigung nach § 29 AngG bzw § 1162b ABGB, der pauschalierend festlegt, dass für die rechtswidrige Auflösung - also den Eingriff in gesicherte Rechtspositionen - als Schadenersatzanspruch das Entgelt für den Zeitraum bis zur rechtmäßigen Beendigung gebührt.
Auch von den Verdienstentgangsansprüchen nach Körperverletzungen iSd § 1325 ABGB unterscheidet sich der hier zu beurteilende Schadenersatzanspruch schon im Ansatz, weil § 1325 ABGB auf die Körperverletzung, die zu dem Verdienstentgang führt, abstellt, während hier die körperliche Erwerbsfähigkeit völlig unbeeinträchtigt ist. Konkret entgangen ist hier der Klägerin eine Erwerbsgelegenheit. Dieser Nachteil wurde nicht allein durch die Willensbetätigung eines Dritten, des Versicherungsunternehmens (neuer Arbeitgeber), bewusst herbeigeführt, sondern durch das Verhalten der Beklagten (früherer Arbeitgeber).
Der aus dem schuldhaften und rechtswidrigen Verhalten der Beklagten resultierende Schaden ist von der Klägerin zu behaupten und zu beweisen. Der Schaden ist in dem Nachteil zu sehen, der sich sonst in der künftigen Entwicklung nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge ohne das rechtswidrige Verhalten ergeben hätte. Den Beweis dafür, dass das Arbeitsverhältnis über die Befristung hinaus fortgeführt worden wäre, hat die Klägerin ebenso wenig angetreten, wie die Beklagten nachweisen konnten, dass es bereits in der Probezeit von der Klägerin oder der neuen Arbeitgeberin aufgelöst worden wäre.
Zum GlbG wurde ein Ansatz entwickelt, wonach bei nachweislich diskriminierender Nichtbegründung eines Arbeitsverhältnisses der daraus zu ersetzende Schaden in dem Verdienstentgang bis zum nächsten regulären Kündigungstermin liegt. Zwar werden in diesem Zusammenhang Bedenken aus den europarechtlichen Vorgaben geltend gemacht, jedoch können diese hier schon im Ansatz nicht zum Tragen kommen; auch immaterielle Schäden werden nicht geltend gemacht.
Gerade der vorliegende Fall, in dem die Klägerin vorweg die Stelle gar nicht annehmen wollte und auch selbst ihr letztes Arbeitsverhältnis von sich aus beendet hat, zeigt, dass in einem auf die persönliche Arbeitspflicht ausgerichteten Rechtsverhältnis mit all den sich daraus ergebenden Unwägbarkeiten wohl selten nachweisbar ist, wie dieses weiter verlaufen wäre. Ausgehend davon bildet die von den Vertragsparteien in ihrer Befristung bzw der Wahl der Kündigungstermine für eine rechtskonforme Auflösung vorgenommene Einschätzung durchaus eine geeignete Orientierung für den „gewöhnlichen Verlauf der Dinge“ als Vergleichsmaßstab für die Feststellung des Schadens aus dem Verlust der bloßen Erwerbsgelegenheit.
Soweit sich die Klägerin darauf stützt, dass eine vorsätzliche Schädigung iSd § 1324 ABGB vorliege und dementsprechend nach § 1331 ABGB volle Genugtuung zu leisten wäre, ist darauf zu verweisen, dass ein dahingehendes Vorbringen im erstgerichtlichen Verfahren nicht erstattet wurde.