OGH: Zurückbehaltungsrecht des Verwahrers nach § 970c ABGB
Das Gesetz gibt keine Grenzen für die Wertrelation von offener Forderung zur einbehaltenen Sache vor; ebenso wenig lässt sich daraus eine zeitliche Beschränkung für die Ausübung ableiten
§ 970c ABGB
GZ 3 Ob 34/12i, 18.04.2012
OGH: Im Revisionsverfahren ist es weder strittig, dass der Club dem Beklagten bei dessen Ausübung Einstellgebühren schuldete, noch dass es sich bei den Flugzeugen um vom Club eingebrachte Sachen handelt. Ebenso wenig wendet sich der Kläger dagegen, dass der Beklagte dem Kläger als Eigentümer der Flugzeuge das gegenüber dem Club als Einsteller erworbene Zurückbehaltungsrecht entgegen halten kann. Der Beklagte konnte sich also - jedenfalls bis zur Auflösung des Clubs - auf sein Zurückbehaltungsrecht nach § 970c ABGB berufen, selbst wenn der Garagierungs-(Hangarierungs-)Vertrag bereits davor beendet worden sein sollte, weil es erst mit der Befriedigung des Anspruchs oder mit der Entfernung der Sache erlischt.
Eine rechtsmissbräuchliche Ausübung des Zurückbehaltungsrechts erblickt der Kläger darin, dass die offenen Einstellgebühren nur einen Bruchteil des Werts der Flugzeuge ausmachen und der Beklagte bald nach der Blockade erkennen hätte müssen, dass diese nicht geeignet sei, den Club zur Zahlung zu bewegen, und dass der Wertverlust der Flugzeuge steil ansteige; der Beklagte hätte daher das Zurückbehaltungsrecht wegen des krassen Missverhältnisses zwischen dem Schaden und der offenen Forderung bald wieder aufgeben müssen. Auf das Argument der Vorinstanzen dagegen, der behauptete Schaden des Klägers resultiere aus der andauernden Zahlungsverweigerung seines Vertragspartners (aus dem Halterschaftsvertrag zu den Flugzeugen), auf den er als dessen Obmann ohnehin Einfluss nehmen hätte können, geht der Kläger gar nicht ein.
Die Bewertung eines Begehrens als rechtsmissbräuchlich stellt im Allgemeinen keine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar, sofern - wie hier - keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung vorliegt.
Zweck des als Ausgleich für die strenge sog Gastwirtehaftung vorgesehenen Zurückbehaltungsrechts ist es, dem ua Garagenunternehmer die effektive Ausübung von Druck auf den mit der Zahlung säumigen Einsteller (titulierte Forderung des Beklagten: 28.940 EUR) zu ermöglichen. Das Gesetz gibt keine Grenzen für die Wertrelation von offener Forderung zur einbehaltenen Sache vor; ebenso wenig lässt sich daraus eine zeitliche Beschränkung für die Ausübung ableiten, die ja mit dem genannten Zweck des eingeräumten Rechts evident im Widerspruch stehen würde. Das Druckmittel steht auch gegenüber dem Eigentümer der Sache bis zur Bezahlung der Forderung des Retentionsberechtigten zu.
Zu Recht weisen die Vorinstanzen auch darauf hin, dass die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts ihren Grund im Verzug des Clubs hat und dieser dem Kläger als Vertragspartner gegenüber steht/stand, weshalb den Club Schutz- und Sorgfaltspflichten und die Pflicht zur Interessenwahrung gegenüber dem Kläger treffen/trafen. Zwischen dem Kläger und dem Beklagten besteht allerdings keine Vertragsbeziehung, sodass daraus auch keine Pflichten gegenüber dem Kläger abgeleitet werden können. Wenn dem Kläger nunmehr der Club als Vertragspartner weggefallen sein sollte, ändert dies nichts an der Ausgangslage (zur fehlenden Aktivlegitmation des Eigentümers gegen den Gastwirt: 2 Ob 406/61 = SZ 34/154).
Die Verneinung des Vorwurfs des Rechtsmissbrauchs durch die Vorinstanzen ist keine vom OGH bei den gegebenen Umständen aufzugreifende Fehlbeurteilung.