30.04.2012 Zivilrecht

OGH: Forderungen der Eigentümergemeinschaft nach § 32 Abs 1 WEG 2002 (Aufwendungen für die Liegenschaft einschließlich der Beiträge zur Rücklage) – „Streitigkeiten zwischen den Teilhabern“ iSd § 838a ABGB?

Fordert die - mit eigener Rechtspersönlichkeit ausgestattete - Eigentümergemeinschaft (§ 2 Abs 5 Satz 2 WEG 2002) von den Wohnungseigentümern die von diesen anteilig zu tragenden Aufwendungen für die Liegenschaft einschließlich der Beiträge zur Rücklage (§ 32 Abs 1 WEG) so liegen keine „Streitigkeiten zwischen den Teilhabern“ iSd § 838a ABGB vor; solche Forderungen der Eigentümergemeinschaft sind daher im Streitverfahren geltend zu machen


Schlagworte: Wohnungseigentumsrecht, Aufwendungen für die Liegenschaft einschließlich der Beiträge zur Rücklage, Forderungen der Eigentümergemeinschaft, Miteigentümer, Verwaltung, Streitverfahren
Gesetze:

§ 32 WEG 2002, § 838a ABGB, § 27 WEG 2002, § 52 WEG 2002, § 1 AußStrG, § 1 JN

GZ 5 Ob 28/12x, 20.03.2012

 

OGH: Der am 1. 5. 2005 in Kraft getretene § 838a ABGB (idF FamErbRÄG 2004 BGBl I 2004/58) sieht vor, dass über alle „Streitigkeiten zwischen Miteigentümern über die mit der Verwaltung und Benützung der gemeinschaftlichen Sache unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten“ im Verfahren außer Streitsachen zu entscheiden ist. Die Gesetzesmaterialien führen dazu aus:

 

„Mit § 838a ABGB werden ... Streitigkeiten zwischen den Teilhabern einer Miteigentumsgemeinschaft über die Verwaltung und Benützung der gemeinschaftlichen Sache in das Außerstreitverfahren verwiesen. Das gilt für Streitigkeiten zwischen den Miteigentümern, nicht aber für Streitigkeiten mit Dritten. ...

 

In das Außerstreitverfahren fallen die mit der Verwaltung und Benützung unmittelbar zusammenhängenden Rechte und Pflichten der Teilhaber. Das betrifft jedenfalls die dem Richter nach den §§ 833 bis 838 ABGB zukommenden Aufgaben, aber auch Streitigkeiten aus einer Benützungsregelung, den Anspruch auf Rechnungslegung und auf die Verteilung des Erlöses zwischen den Miteigentümern (§ 830 Satz 1 ABGB) sowie die Verteilung des Nutzens und des Aufwandes unter ihnen (§ 839 ABGB). Dabei macht es keinen Unterschied, ob der Auseinandersetzung der Teilhaber eine Vereinbarung zu Grunde liegt oder nicht. In beiden Fällen ist der Außerstreitrichter zur Verhandlung und Entscheidung berufen. …

 

Die auf die besonderen Verhältnisse des Wohnungseigentums zugeschnittenen Sonderregeln des § 52 Abs 1 WEG 2002 bleiben unberührt.“

 

Nach § 2 Abs 5 Satz 2 WEG 2002 bilden alle Wohnungseigentümer zur Verwaltung der Liegenschaft die Eigentümergemeinschaft; sie ist eine juristische Person mit Rechtsfähigkeit in dem durch § 18 Abs 1 und 2 WEG umschriebenen Umfang, also in Angelegenheiten der Verwaltung der Liegenschaft, in denen sie Rechte erwerben und Verbindlichkeiten eingehen sowie klagen und geklagt werden kann. Örtlich zuständig für solche Klagen ist das Gericht, in dessen Sprengel die Liegenschaft gelegen ist. Bei diesem Gericht kann auch ein Wohnungseigentümer von der Eigentümergemeinschaft geklagt werden.

 

Die Aufwendungen für die Liegenschaft einschließlich der Beiträge zur Rücklage sind von den Wohnungseigentümern - sofern kein abweichender Aufteilungsschlüssel vereinbart ist - nach dem Verhältnis ihrer Miteigentumsanteile bei Ende der Abrechnungsperiode zu tragen (§ 32 Abs 1 1. Satz WEG). Der Beitragspflicht der Wohnungseigentümer steht eine entsprechende Forderung der Eigentümergemeinschaft gegenüber. Nach § 27 Abs 1 Z 1 WEG kommt der Eigentümergemeinschaft an jedem Mindestanteil ein gesetzliches Vorzugspfandrecht zu Gunsten ihrer Forderungen gegen den Eigentümer des Anteils zu. Dieses Pfandrecht besteht für sämtliche Forderungen der Gemeinschaft, die aus der Verwaltung der Liegenschaft resultieren. Dazu gehören jedenfalls die rückständigen Beiträge zu den Betriebskosten und Rücklagen sowie Nachforderungen gegenüber den Wohnungseigentümern nach erfolgter Abrechnung. Das Vorzugspfandrecht kommt der Eigentümergemeinschaft als Forderungsberechtigte nur zu, wenn sie die Forderung samt dem Pfandrecht innerhalb von sechs Monaten mit Klage geltend macht und die Anmerkung der Klage im Grundbuch beim Miteigentumsanteil des beklagten Wohnungseigentümers beantragt (§ 27 Abs 2 WEG).

 

Die klagende Eigentümergemeinschaft macht gegenüber der erstbeklagten Mit- und Wohnungseigentümerin Ansprüche aus rückständigen Betriebs- und Heizkostenvorschreibungen sowie gegenüber beiden Beklagten Sonderzahlungen in die Rücklage geltend. Über Antrag der Klägerin wurden die Klagen im Grundbuch bei den Miteigentumsanteilen der Beklagten nach § 27 Abs 2 WEG angemerkt. Bereits dadurch ist klargestellt, dass gerade keine „Streitigkeit zwischen den Teilhabern“ vorliegt, wie sie von § 838a ABGB angesprochen wird.

 

Die Rechtsdurchsetzung im außerstreitigen Verfahren findet nur statt, wenn eine Sache durch das Gesetz ausdrücklich oder zumindest schlüssig in diese Verfahrensart verwiesen ist. Dieser Grundsatz wird durch § 52 Abs 1 WEG, der die in das Verfahren außer Streit verwiesenen wohnungseigentumsrechtlichen Angelegenheiten taxativ aufzählt, wie schon durch die Vorgängerbestimmung des § 26 WEG 1975, nicht berührt. Eine Erweiterung der in § 52 Abs 1 WEG aufgezählten Angelegenheiten durch Analogie kommt hier schon deshalb nicht in Betracht, weil die in § 27 Abs 2 WEG geforderten Voraussetzungen für die Wirksamkeit des Vorzugspfandrechts keinen Zweifel daran aufkommen lassen, dass Forderungen der Eigentümergemeinschaft nach § 32 Abs 1 WEG nur im streitigen Rechtsweg geltend gemacht werden können. Die vorliegende Auseinandersetzung zwischen der Eigentümergemeinschaft und den beklagten Mit- und Wohnungseigentümern hat daher im Streitverfahren zu erfolgen.

 

Diese Ansicht entspricht auch der bislang nicht in Zweifel gezogenen Praxis gerade bei der Geltendmachung von Wohnbeiträgen (Bewirtschaftungskosten) durch die Eigentümergemeinschaft gegenüber einem Mit- und Wohnungseigentümer.

 

Wie die Rekurswerberin völlig zutreffend aufzeigt, lag der vom Berufungsgericht als Belegstelle für die von ihm vertretene Ansicht herangezogenen Entscheidung 5 Ob 40/11k (5 Ob 51/11b) nach erfolgter Berichtigung der Bezeichnung der klagenden Partei(en) gerade ein Streit zwischen den Mit- und Wohnungseigentümern und nicht (mehr) zwischen Mit- und Wohnungseigentümern einerseits und der Eigentümergemeinschaft andererseits zugrunde. Auch die in RIS-Justiz RS0124971 und RS0122986 noch genannten Entscheidungen 7 Ob 204/07m betrafen Auseinandersetzungen zwischen den Miteigentümern einer Liegenschaft.