23.04.2012 Zivilrecht

OGH: Antrag auf gerichtliche Nutzwertfestsetzung gem § 10 WEG 2002 iZm Widmungsänderung

Eine Umwidmung durch Zustimmung aller Wohnungseigentümer oder eine im Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 2 WEG iVm § 16 Abs 2 WEG erwirkte Ersetzung der Zustimmung der widersprechenden Wohnungseigentümer bildet einen im Gesetz nicht ausdrücklich genannten, von der Rsp aber bejahten Grund für die Neufestsetzung der Nutzwerte


Schlagworte: Wohnungseigentumsrecht, Antrag auf gerichtliche Nutzwertfestsetzung, Widmungsänderung, Verweigerung der Zustimmung einzelner Wohnungseigentümer
Gesetze:

§ 9 WEG, § 10 WEG, § 16 WEG

GZ 5 Ob 148/11t, 14.02.2012

 

Die Antragsteller vertreten die Ansicht, eine Zustimmung aller Wohnungseigentümer zu einer Widmungsänderung (hier von Büro in Wohnung) sei nicht Voraussetzung eines Antrags auf Neufestsetzung der Nutzwerte nach §§ 9, 10 WEG. Die Zulässigkeit der Verweigerung der Zustimmung einzelner Wohnungseigentümer zu einer Widmungsänderung sei im Nutzwert-(neu-)festsetzungsverfahren als Vorfrage nach den Kriterien des § 16 Abs 2 WEG zu prüfen.

 

OGH: Verfahren zur Neufestsetzung der Nutzwerte werden nur über Antrag (§ 10 Abs 1 WEG) eingeleitet, das Verfahren unterliegt nicht der Dispositionsmaxime der Parteien. Das Gericht hat stets über alle wohnungseigentumstauglichen Objekte einer Liegenschaft abzusprechen, weshalb dem Verfahren stets alle Mit- und Wohnungseigentümer beigezogen werden müssen, widrigenfalls der Nutzwertfestsetzungssachbeschluss keine taugliche Eintragungsgrundlage im Grundbuchsverfahren darstellt.

 

Einer Nutzwertfestsetzung ist die materielle Sach- und Rechtslage und die von Amts wegen als Vorfrage zu prüfende Widmung aller Liegenschaftsteile zugrunde zu legen. Die Festsetzung der Nutzwerte hat die Widmung nur nachzuvollziehen und schafft keinen eigenen Rechtsgrund für die Widmung.

 

Für die Frage der Widmung eines Wohnungseigentumsobjekts ist auf die privatrechtliche Einigung der Wohnungseigentümer (in der Regel im Wohnungseigentumsvertrag) abzustellen. Baurechtliche Widmungen definieren die privatrechtlichen Rechtsverhältnisse der Wohnungseigentümer untereinander nicht.

 

Die Widmung eines Wohnungseigentumsobjekts zu einer bestimmten Nutzung und das Festhalten an der dadurch definierten Nutzung gehört zu den absolut geschützten Rechten jedes Wohnungseigentümers. Eine Änderung dieses Rechtszustands ist nur nach Maßgabe des § 16 Abs 2 WEG im Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 2 WEG möglich, wenn sie nicht von der Zustimmung aller gedeckt ist.

 

Eine Nutzungsänderung von Wohnung auf Geschäftsräumlichkeit und umgekehrt ist eine bewilligungspflichtige Umwidmung. Eigenmächtige Änderungen sind unzulässig und können von den übrigen Wohnungseigentümern bekämpft werden.

 

Eine Umwidmung durch Zustimmung aller Wohnungseigentümer oder eine im Verfahren nach § 52 Abs 1 Z 2 WEG iVm § 16 Abs 2 WEG erwirkte Ersetzung der Zustimmung der widersprechenden Wohnungseigentümer bildet dann einen im Gesetz nicht ausdrücklich genannten, von der Rsp aber bejahten Grund für die Neufestsetzung der Nutzwerte.