VwGH: Absetzbarkeit von Reisekosten bei Mischprogramm
Wenn eine Reise voneinander abgrenzbare, einerseits durch die Einkünfteerzielung und andererseits privat veranlasste Zeitanteile enthält, stellen Aufwendungen für die durch die Einkünfteerzielung veranlassten Teile Betriebsausgaben bzw Werbungskosten dar
§ 16 EStG, § 4 Abs 4 EStG, § 20 EStG
GZ 2009/15/0183, 28.02.2012
VwGH: Mit Erkenntnis vom 27. Jänner 2011, 2010/15/0197, hat der VwGH festgehalten, dass die von der Rsp geprägten Grundsätze für eine Anerkennung der betrieblichen bzw beruflichen Veranlassung von Reisekosten (vgl dazu das Erkenntnis vom 24. September 2008, 2008/15/0032) einer gesonderten Beurteilung der einzelnen Abschnitte einer Reise und einer Aufteilung nach den betrieblichen/beruflichen und privaten Zeitanteilen (Tagen) nicht entgegenstehen. Wenn eine Reise voneinander abgrenzbare, einerseits durch die Einkünfteerzielung und andererseits privat veranlasste Zeitanteile enthält, stellen Aufwendungen für die durch die Einkünfteerzielung veranlassten Teile Betriebsausgaben bzw Werbungskosten dar. Die Kosten der Hin- und Rückfahrt zum und vom Reiseziel sind dabei nach dem Verhältnis der ausschließlich betrieblich bzw beruflich veranlassten Aufenthaltstage zu den übrigen Aufenthaltstagen aufzuteilen, wobei die Tage der Hin- und Rückfahrt grundsätzlich als neutrale Zeiträume zu behandeln sind. Der Gerichtshof hat dabei auf die Aufenthaltstage als maßgebliche Zeiteinheit für die Beurteilung der einzelnen Reiseabschnitte abgestellt, nicht auf kleinere Zeiteinheiten. Im Fall einer untrennbaren Gemengelage von privaten und mit der Einkünfteerzielung zusammenhängenden Umständen in einer Reise bzw einem Reiseabschnitt führen die Reiseaufwendungen nicht zu Betriebsausgaben bzw Werbungskosten, es sei denn, der private Aspekt ist nur von untergeordneter Bedeutung.
Mit Erkenntnis vom 26. Jänner 1993, 88/14/0108, hat der VwGH (zum insofern vergleichbaren § 20 Abs 1 Z 2 EStG 1972) zu einem Kongressprogramm mit Skitraining bereits festgehalten, dass für eine steuerliche Absetzbarkeit das Programm und seine Durchführung derart einseitig und nahezu ausschließlich auf interessierte Teilnehmer der Berufsgruppe des Steuerpflichtigen abgestellt sein müssen, dass sie jeglicher Anziehungskraft auf andere als in der spezifischen Richtung beruflich interessierte Teilnehmer entbehren. Andere allgemein interessierende Programmpunkte ("Privatzeiten") dürfen dabei nicht mehr Raum als jenen einnehmen, der während der laufenden Berufsausübung als Freizeit regelmäßig zu anderen als beruflichen Betätigungen verwendet wird, wobei auf eine "Normalarbeitszeit" von durchschnittlich 8 Stunden täglich abzustellen ist.
Im vorliegenden Fall ist das Programm dadurch gekennzeichnet, dass täglich die Zeit von 9 Uhr 30 bis 15 Uhr 30 als vortragsfreier Zeitraum für die Teilnahme an im Programm vorgesehenen "Ärztesportstunden" zur Verfügung stand, wobei die Ärztesportstunden von professionellen Ausbildnern begleiteter Skisport unter Durchführung von dynamischen Übungen (Gelenksbeanspruchungen, Gleichgewicht, Muskelbeanspruchung, Dehnungen, Herz-, Kreislaufbelastungen, Fahren mit einem Ski, Belastung der Kniegelenke) und unter anschließenden klinischen Untersuchungen oder Verwertung praktischer Erfahrungen (Muskelkater, Langzeitbelastung, Hämatome, Übung der Bergung von Verletzten) darstellten. Die Durchführung derartiger Begleitübungen kann dabei den Ärztesportstunden aber nicht den Charakter einer wesentlichen Mitveranlassung durch private Freizeitgestaltungsinteressen nehmen. Daran ändert sich auch nichts dadurch, dass die Österreichische Ärztekammer in der ÖÄK-Diplomrichtlinie für die sportmedizinische Fortbildung ein Mindesterfordernis von 20 Stunden "Ärztesport" festgesetzt hat und der Nachweis derartiger Ärztesportstunden damit die Erlangung eines "Sportarztdiploms" ermöglicht bzw dafür erforderlich ist.
Reisen, die durch ein private Erholungs- und Bildungsinteressen mit betrieblichen bzw beruflichen Interessen untrennbar vermengendes Mischprogramm geprägt sind, bleibt auch nach dem Erkenntnis des VwGH vom 27. Jänner 2011, 2010/15/0197, der Abzug als Betriebsausgaben bzw Werbungskosten versagt. Berücksichtigt man daher im vorliegenden Fall die "Ärztesportstunden" als Privatzeit, so erweist sich das gegenständliche Tagungsprogramm jedenfalls in der Zeit von Montag 17. März bis Freitag 21. März 2003 mit seiner starken praktischsportlichen, allgemein interessierenden Ausrichtung aufgrund der untrennbaren Gemengelage von privaten und mit der Einkünfteerzielung zusammenhängenden Umständen im Lichte des § 20 Abs 1 Z 2 lit a EStG 1988 als nicht geeignet, eine steuerliche Absetzbarkeit zu vermitteln.
Der Ansatz der belangten Behörde einer Aufsummierung aller Theoriestunden in der Zeit zwischen der Anreise am Samstag 15. März und der Abreise am Samstag 22. März zur Überprüfung der Erreichung eines insgesamt 40-stündigen Normalarbeitszeitvolumens wird der hg Judikatur zu § 20 Abs 1 Z 2 lit a EStG und der daraus erfließenden Notwendigkeit einer reiseabschnittsbezogenen Betrachtung nicht gerecht, weil er die getrennte Beurteilung jedes einzelnen Reisetages unterlässt.
Bei dem von der belangten Behörde festgestellten Verlauf der Reise könnte einzig der Sonntag 16. März mit seinem ganztägigen Fachprogramm als beruflich veranlasster Reiseabschnitt in Betracht gezogen werden.
Sollte sich im fortzusetzenden Verfahren ergeben, dass an diesem Tag tatsächlich in ausreichendem Ausmaß berufliche Tätigkeit entfaltet worden ist, wären die auf diesen Tag entfallenden anteiligen Reisekosten als Werbungskosten zu berücksichtigen.