27.03.2012 Zivilrecht

OGH: Ordentliche Verwaltung gem § 28 WEG 2002 – ordnungsgemäße Erhaltung der allgemeinen Teile der Liegenschaft iSd § 3 MRG und Behebung ernster Schäden des Hauses

Die Behebung eines ernsten Schadens des Hauses oder an einem Wohnungseigentumsobjekt ist stets ordentliche Verwaltung und fällt damit in die Zuständigkeit der Eigentümergemeinschaft, die dafür auch zahlungspflichtig ist


Schlagworte: Wohnungseigentumsrecht, Mietrecht, Eigentümergemeinschaft, ordentliche Verwaltung, ordnungsgemäße Erhaltung der allgemeinen Teile der Liegenschaft, Behebung ernster Schäden des Hauses, Sanierungsarbeiten
Gesetze:

§ 28 WEG 2002, § 3 MRG

GZ 5 Ob 170/11b, 13.12.2011

 

OGH: Die Abgrenzung, ob allgemeine Teile des Hauses betroffen sind, erfolgt nach § 3 Abs 2 Z 1 MRG in räumlicher Hinsicht, was eine unproblematische Einordnung all jener Teile erlaubt, die zweifelsfrei außerhalb der Wohnungseigentumsobjekte liegen. Darunter fallen nach hA jene Bereiche, die gemeinhin als „Außenhaut“ des Gebäudes bezeichnet werden. Zur weiteren Abgrenzung bedient sich die Rsp darüber hinaus funktionaler Gesichtspunkte. Sanierungsarbeiten an allgemeinen Teilen der Liegenschaft gehören nach § 28 Abs 1 Z 1 WEG zur ordentlichen Verwaltung und fallen damit in die Erhaltungspflicht der Eigentümergemeinschaft mit der Rechtsfolge, dass es auf das Vorliegen eines ernsten Schadens nicht ankommt.

 

Die Frage, ob ein allgemeiner Teil der Liegenschaft betroffen ist, begegnet dort Schwierigkeiten, wo die Arbeiten die räumliche Grenze zwischen Wohnungseigentumsobjekt und allgemeinen Teilen betreffen. Arbeiten an Balkonen und Terrassen stellen solche Grenzfälle dar. Eine solche Abgrenzung ist aber dort entbehrlich, wo die Behebung ernster Schäden iSd § 28 Abs 1 Z 1 WEG ansteht. Die Behebung eines ernsten Schadens des Hauses oder an einem Wohnungseigentumsobjekt ist stets ordentliche Verwaltung und fällt damit in die Zuständigkeit der Eigentümergemeinschaft, die dafür auch zahlungspflichtig ist. Diese Regel gilt grundsätzlich auch für die Erhaltung eines geänderten Wohnungseigentumsobjekts, selbst wenn die Änderung nur einem einzigen Wohnungseigentümer zugute kommt. Ebenso ist unerheblich, dass die Schadensbehebung nicht jedem Wohnungseigentümer zum Vorteil gereicht.

 

Entsprechend diesen Grundsätzen betont auch die Entscheidung 5 Ob 190/06m, die die Klägerin zur tragenden Begründung ihrer Revision macht, dass derjenige Wohnungseigentümer, der allgemeine Teile der Liegenschaft ausschließlich in Anspruch nimmt, hinsichtlich der Erhaltung der nur durch ihn benützten Liegenschaftsteile Beitragsleistungen der Gemeinschaft nur dann einfordern kann, wenn es sich um die Behebung ernster Schäden des Hauses handelt. Nur die eigenmächtig errichteten Räume (in casu: Kellerräume unter der Terrasse) fallen nach dieser Entscheidung auch bei Vorliegen ernster Schäden nicht in die Erhaltungspflicht der Eigentümergemeinschaft. Betreffen die ernsten Schäden iSd § 28 Abs 1 Z 1 WEG aber auch allgemeine Teile des Hauses bzw das ursprüngliche Wohnungseigentumsobjekt (= konsensgemäßer Bauzustand), bleibt die Eigentümergemeinschaft zu den Erhaltungsarbeiten und zur Kostentragung verpflichtet.

 

Ein ernster Schaden liegt jedenfalls dann vor, wenn „einem Menschen nach hA die Benützung eines Raumes nicht mehr zugemutet werden kann“. Liegt ein ernster Schaden vor, fällt nicht nur die bloße Schadensbehebung, sondern die gesamte Wiederherstellung des ordnungsgemäßen Zustands in die Zuständigkeit der Gemeinschaft, und zwar unabhängig von den Zulässigkeitsvoraussetzungen für Änderungen nach § 16 Abs 2 WEG.

 

Im vorliegenden Fall war die Sanierung der Terrasse notwendig, um weitere Wassereintritte und in weiterer Folge Schäden an der Außenwand, den Umfassungsbauteilen des unter der Terrasse liegenden Müllraums sowie der benachbarten Wohnung abzuwehren. Solche Sanierungsarbeiten gehen deutlich über die Behebung bloß oberflächlicher Mängel hinaus, dienen sie doch der Beseitigung von Feuchtigkeitsschäden und dem Schutz vor weiteren Durchfeuchtungen. Im Sinn der obigen Ausführungen lag damit ein ernster, die Substanz des Hauses betreffender Schaden vor, zu dessen Behebung unabhängig von der Einordnung der Terrasse als allgemeiner Teil des Hauses nach § 28 Abs 1 Z 1 WEG jedenfalls die klagende Eigentümergemeinschaft verpflichtet war. Die dabei erforderlichen Arbeiten auf der Terrasse der Beklagten zählen zu den Maßnahmen zur Beseitigung eines ernsten Schadens und damit zu den Erhaltungsarbeiten. Anders als in der Entscheidung 5 Ob 190/06m, der insoweit ein mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbarer Sachverhalt zugrunde lag, betraf der ernste Schaden auch keineswegs unter Inanspruchnahme von allgemeinen Teilen der Liegenschaft eigenmächtig errichtete Bauteile, sondern das von Anfang an bestehende Objekt der Beklagten top 16 und die diesem benachbarte Wohnung. Damit fiel aber nicht nur die bloße Schadensbehebung, sondern die gesamte Wiederherstellung des ordnungsgemäßen Zustands in die Zuständigkeit der Gemeinschaft. Dass die Bepflanzung der Terrasse iSd vom Erstnebenintervenienten veranlassten Umbauarbeiten nicht einen solchen ordnungsgemäßen Zustand darstellen würde, hat die klagende Eigentümergemeinschaft nicht behauptet.

 

Damit vermag die Revision mit ihrem Verweis auf die Entscheidung 5 Ob 190/06m keine vom OGH aufzugreifende Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts aufzuzeigen. Inwieweit ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten der Beklagten zu den ihr verrechneten Stehzeiten geführt haben soll, hat die Klägerin im Verfahren erster Instanz nicht dargelegt, sodass die Revision insgesamt keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzuzeigen vermag und daher als nicht zulässig zurückzuweisen ist.