27.03.2012 Zivilrecht

OGH: Zur Bankgarantie

Dem Begünstigten, der sich aus vertretbaren Gründen für berechtigt hält, kann kein arglistiges oder rechtsmissbräuchliches Verhalten vorgeworfen werden, wenn ihm nicht eindeutig nachgewiesen wird, dass er keinen Anspruch auf Abruf der Bankgarantie hat


Schlagworte: Garantievertrag, Bankgarantie, Schadenersatzrecht, rechtsmissbräuchliche Inanspruchnahme
Gesetze:

§ 880a ABGB, § 1295 Abs 2 ABGB

GZ 3 Ob 213/11m, 14.12.2011

 

OGH: Bei der abstrakten Bankgarantie ist der Garantievertrag vom Bestand der gesicherten Hauptschuld grundsätzlich unabhängig, wobei die Abstraktheit durch die Formulierungen betreffend die Zahlungspflicht wie „auf erstes Abfordern“ oder „ohne Einwendungen“ besonders betont wird. Die Verpflichtung, Zahlung zu leisten, entsteht allein durch die Inanspruchnahme, die nach dem Garantievertrag den formellen Garantiefall bildet. Infolge der Abstraktheit der Garantie sind nur solche Einwendungen zulässig, die sich aus der Auslegung des Garantietextes selbst ergeben. Hier wurden die Formulierungen „auf ihre erste Aufforderung“ und „ohne Prüfung des Rechtsgrundes“ verwendet. Nicht ausgeschlossen sind bloß Einwendungen, die sich aus der Auslegung des Garantietextes selbst ergeben. Es liegt im Wesen der Bankgarantie, auf die bloße Behauptung hin, der Garantiefall sei eingetreten, dem Begünstigten zunächst einmal Zahlung zu verschaffen und seinen Vertragspartner auf den Weg einer Rückforderungsklage zu verweisen; das Gemeinsame aller abstrakten Ansprüche besteht darin, dass bei ihrer Inanspruchnahme die Frage der endgültigen materiellen Berechtigung erst in einem Nachverfahren geprüft werden soll.

 

Die in Bankgarantien übliche Präambel, in welcher auf das Grundverhältnis zwischen dem Garantieauftraggeber und dem Begünstigten hingewiesen wird, ist die bloße Umschreibung jener Leistung des Dritten, deren Erhalt dem Begünstigten garantiert werden soll, also des Erfolgs, für den die Gewähr übernommen wird. Die Abstraktheit der Garantie wird nicht dadurch beseitigt, dass in der Garantieerklärung einerseits auf das Valutaverhältnis hingewiesen wird, andererseits aber auch eine Erwähnung des Umstands erfolgt, dass der Garant die Haftung im Auftrag des Dritten übernimmt.

 

Es entspricht der Rsp, dass dem Begünstigten, der sich aus vertretbaren Gründen für berechtigt hält, kein arglistiges oder rechtsmissbräuchliches Verhalten vorgeworfen werden kann, wenn ihm nicht eindeutig nachgewiesen wird, dass er keinen Anspruch auf Abruf der Bankgarantie hat. Die Frage, ob die für die Annahme von Rechtsmissbrauch geforderten Voraussetzungen vorliegen oder nicht, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen.

 

Da der Anspruch aus dem Garantievertrag nicht vom Bestand der zu sichernden Forderung abhängt (keine Akzessorietät), die Sicherungsfunktion der Garantie vielmehr auch jenen Fall umfasst, dass der Garantieauftraggeber eine bestehende Verpflichtung auch etwa infolge Zahlungsunfähigkeit nicht erfüllen kann, bedurfte es keiner Prüfung, ob die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über die Subunternehmerin Auswirkungen auf das Valutaverhältnis (die Ansprüche auf Rückzahlung überhöht geleisteter Anzahlungen) hatte.