19.03.2012 Arbeits- und Sozialrecht

OGH: Spezieller Verweisungsschutz nach § 255 Abs 3a iVm Abs 3b ASVG

Um den Anspruchsvoraussetzungen der Härtefallregelung zu genügen, darf der Pensionswerber nur mehr in der Lage sein, die in § 255 Abs 3b ASVG umschriebenen Tätigkeiten - und keine anderen - auszuüben


Schlagworte: Pensionsversicherung, Invaliditätspension, ungelernte Arbeiter, Bauern, spezieller Verweisungsschutz, Härtefallregelung, Tätigkeiten mit geringstem Anforderungsprofil, leichte körperliche Tätigkeiten
Gesetze:

§ 255 ASVG, § 254 ASVG

GZ 10 ObS 173/11f, 14.02.2012

 

OGH: Unter den Tätigkeiten nach § 255 Abs 3a Z 4 ASVG sind nach der Legaldefinition des § 255 Abs 3b ASVG leichte körperliche Tätigkeiten, die bei durchschnittlichem Zeitdruck und vorwiegend in sitzender Haltung ausgeübt werden und/oder mehrmals täglich einen Haltungswechsel ermöglichen, zu verstehen.

 

Die Bestimmung des § 255 Abs 3a iVm Abs 3b ASVG trat gemäß der Schlussbestimmung des § 658 Abs 1 ASVG mit 1. 1. 2011 in Kraft und wird mit Ablauf des 31. 12. 2015 wieder außer Kraft treten (§ 658 Abs 2 ASVG).

 

Nach den Gesetzesmaterialien soll mit dieser neuen Härtefallregelung für stark leistungseingeschränkte ungelernte ArbeitnehmerInnen und für bestimmte selbstständig Erwerbstätige (nämlich Bäuerinnen und Bauern), die das 50. Lebensjahr erreicht bzw überschritten, aber das 57. Lebensjahr noch nicht vollendet haben oder die die Voraussetzungen für den besonderen Berufsschutz etwa nach § 255 Abs 4 ASVG nicht erfüllen, ein spezieller Verweisungsschutz die derzeit judizierte weite Verweisung auf dem gesamten Arbeitsmarkt zu einer Verweisbarkeit in einem engen Segment einschränken und so diesen Menschen einen Zugang zu einer Invaliditäts- oder Erwerbsunfähigkeitspension bzw zu einer entsprechenden Rehabilitation öffnen. Ziel der vorgeschlagenen Regelung ist es also, jene Berufsverweisungen, die bisher zu Härtefällen geführt haben, zu vermeiden. Unter Tätigkeiten mit geringstem Anforderungsprofil sind leichte (körperliche) Tätigkeiten vorwiegend in sitzender Haltung und bei durchschnittlichem Zeitdruck zu verstehen, wobei ein Haltungswechsel möglich sein muss. Die neue Härtefallregelung wird in der Praxis für Bäuerinnen und Bauern sowie ungelernte ArbeiterInnen, die ein sehr stark medizinisch eingeschränktes Leistungskalkül haben (dh nur mehr leichte Tätigkeiten im Sitzen oder in einem nicht kontinuierlichen Arbeitsablauf ausüben können), relevant werden und soll auf eine sehr kleine Zahl von Härtefällen beschränkt bleiben.

 

Der OGH hat in den jüngst ergangenen Entscheidungen 10 ObS 105/11f, 10 ObS 113/11g, 10 ObS 119/11i, 10 ObS 147/11g und 10 ObS 167/11y zur Härtefallregelung des § 255 Abs 3a ASVG Stellung genommen, auf welche Ausführungen verwiesen werden kann. Hervorzuheben ist, dass die Definition in § 255 Abs 3b ASVG („Tätigkeiten mit geringstem Anforderungsprofil“) nicht das medizinische Restleistungskalkül von Versicherten beschreibt, sondern jene Tätigkeiten unter allen in Betracht kommenden Tätigkeiten, die das leichteste Anforderungsprofil erfüllen. Um den Anpruchsvoraussetzungen der Härtefallregelung zu genügen, darf der Pensionswerber nur mehr in der Lage sein, die in § 255 Abs 3b ASVG umschriebenen Tätigkeiten - und keine anderen - auszuüben (10 ObS 113/11g).