OGH: Wiedereinsetzung in den vorigen Stand iSd § 364 StPO iZm Erkrankung des Rechtsanwaltes?
Erst dann, wenn zufolge der Krankheit die Dispositionsfähigkeit völlig ausgeschlossen wird, wenn also nicht einmal mehr für eine Stellvertretung gesorgt werden kann, stellt die gesundheitliche Beeinträchtigung ein Ereignis iSd § 364 Abs 1 Z 1 StPO dar, aufgrund dessen es unmöglich wäre, die versäumte Frist einzuhalten
§ 364 StPO, § 14 RAO
GZ 11 Os 171/11y, 19.01.2012
OGH: Nach § 364 Abs 1 Z 1 StPO ist - neben anderen, hier nicht aktuellen Fällen - den Beteiligten des Verfahrens die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung einer Frist zur Anmeldung eines Rechtsmittels zu bewilligen, sofern sie nachweisen, dass es ihnen durch unvorhergesehene oder unabwendbare Ereignisse unmöglich war, die Frist einzuhalten, es sei denn, dass ihnen oder ihren Vertretern ein Versehen nicht bloß minderen Grades zur Last liegt.
Da gem § 14 RAO der Rechtsanwalt berechtigt ist, im Verhinderungsfall einen anderen Rechtsanwalt unter gesetzlicher Haftung zu substituieren, ist die Erkrankung des Verteidigers für sich allein kein Grund für eine Wiedereinsetzung. Erst dann, wenn zufolge der Krankheit die Dispositionsfähigkeit völlig ausgeschlossen wird, wenn also nicht einmal mehr für eine Stellvertretung gesorgt werden kann, stellt die gesundheitliche Beeinträchtigung ein Ereignis iSd § 364 Abs 1 Z 1 StPO dar, aufgrund dessen es unmöglich wäre, die versäumte Frist einzuhalten.
Ein derartiger Krankheitszustand, der es dem Verfahrenshilfeverteidiger - der aufgrund der erst kurz zurückliegenden Hauptverhandlung und umso mehr wegen des erst am Tag vor der behaupteten Erkrankung erfolgten Rechtsmittelauftrags in Kenntnis der offenen Frist sein musste - unmöglich gemacht hätte, für eine Vertretung zur Bearbeitung fristgebundener Prozesshandlungen zu sorgen, wurde im Wiedereinsetzungsantrag jedoch nicht einmal behauptet.