28.02.2012 Strafrecht

OGH: Gegendarstellung iSd § 9 MedienG

In Umsetzung des rechtspolitischen Ziels, dem von unrichtiger oder irreführend unvollständiger medialer Berichterstattung Betroffenen effektiven Rechtsschutz zu gewähren, ist das Knappheitsgebot des § 9 Abs 3 MedienG nicht kleinlich auszulegen; insbesondere ist dem Gegendarstellungswerber nicht abzuverlangen, die kürzest mögliche Form zu wählen


Schlagworte: Medienrecht, Gegendarstellung, Knappheitsgebot
Gesetze:

§ 9 MedienG

GZ 15 Os 148/11w, 14.12.2011

 

OGH: Nach § 9 Abs 3 MedienG ist in der Gegendarstellung in knapper Weise auszuführen, dass und inwieweit die Tatsachenmitteilung unrichtig oder unvollständig sei und woraus sich dies ergebe. Die Gegendarstellung kann sprachlich frei gestaltet werden. Sie muss entweder die Tatsachen anführen, die im Gegensatz zur Tatsachenmitteilung richtig seien oder letztere in einem erheblichen Punkt ergänzen, oder sich sonst unmittelbar auf die Tatsachenmitteilung und deren Unrichtigkeit oder irreführende Unvollständigkeit beziehen. Ihr Umfang darf nicht außer Verhältnis zu dem der Tatsachenmitteilung stehen.

 

Demnach ist neben der Unrichtigkeit einer Tatsachenmitteilung auch deren Unvollständigkeit ein Gegendarstellungsgrund. Die Unvollständigkeit muss allerdings in erheblicher Weise zur Irreführung geeignet sein, was dann der Fall ist, wenn gerade dadurch ein falscher Eindruck erweckt wird. Die Gegendarstellung soll ein vollständiges Bild des Sachverhalts bieten. Sie darf aber aus Sicht des Medienkonsumenten nicht (nur) belanglose Nebensächlichkeiten betreffen; sie muss also informativ sein. Auch Schlüsse, die der Medienkonsument aus einer Behauptung zieht, sind gegendarstellungsfähig.

 

Notwendige Voraussetzung jeder Gegendarstellung ist der kontradiktorische Gegensatz zwischen Erstmitteilung („These“) und deren Berichtigung („Antithese“). Der (Bedeutungs-)Inhalt der Erstmitteilung setzt der Gegendarstellung klare Grenzen, die nicht überschritten werden dürfen; in der Gegendarstellung ist auf die in der Veröffentlichung aufgestellten Tatsachenbehauptungen auch ausdrücklich Bezug zu nehmen.

 

Zudem ist das Knappheitsgebot zu beachten. Der Umfang der Gegendarstellung darf nämlich nicht außer Verhältnis zu dem der Tatsachenmitteilung stehen. Der JAB zur Mediengesetznovelle 1993, BGBl 1993/20, mit der in Form der Einführung der „Gegendarstellung“ eine Entformalisierung des bis dahin gültigen Entgegnungsrechts angestrebt wurde, gibt als ungefähren Richtwert für eine dem Umfang nach jedenfalls zulässige Gegendarstellung das Eineinhalbfache bis Doppelte des Umfangs der Tatsachenmitteilung an, wobei sich dies nur auf den eigentlich entgegnenden Teil, also die Antithese, bezieht. In Umsetzung des rechtspolitischen Ziels, dem von unrichtiger oder irreführend unvollständiger medialer Berichterstattung Betroffenen effektiven Rechtsschutz zu gewähren, ist das Knappheitsgebot nicht kleinlich auszulegen. Insbesondere ist dem Gegendarstellungswerber nicht abzuverlangen, die kürzest mögliche Form zu wählen.

 

Wenngleich das Gesetz dem Gegendarstellungswerber die Möglichkeit einräumt, die Gegendarstellung sprachlich frei zu gestalten, was auch für die Wiedergabe der Erstmitteilung gilt, verpflichtet es ihn nicht dazu. Unbeschadet des Knappheitsgebots kann und darf der Gegendarstellungswerber die Erstmitteilung auch wörtlich zitieren.

 

Ob eine Gegendarstellung dem Erfordernis der Kontradiktion und dem Knappheitsgebot entspricht, ist eine Rechtsfrage.

 

Der Gegendarstellungswerber ist - mit Ausnahme der Vermeidung von Wiederholungen - keineswegs verpflichtet, die Tatsachenmitteilung (noch) kürzer zu fassen, als dies in dem Medium geschehen ist.