14.02.2012 Zivilrecht

OGH: Zur Auslegung des Art 10 (Taggeld) der Unfallversicherung Fassung I/2005 (U 500) – ist der Begriff der Arbeitsunfähigkeit aus der gesetzlichen Sozialversicherung zu übernehmen?

Die Ansicht, der Begriff der Arbeitsunfähigkeit sei iSd Definition nach dem ASVG zu interpretieren, ist abzulehnen


Schlagworte: Versicherungsrecht, Unfallversicherung, Taggeld, vollständige Arbeitsunfähigkeit
Gesetze:

Art 10 der Unfallversicherung Fassung I/2005 (U 500)

GZ 7 Ob 208/11f, 30.11.2011

 

Dem Versicherungsvertrag wurden die „Klipp & Klar“ Bedingungen für die Unfallversicherung Fassung I/2005 (U 500) zugrunde gelegt, deren hier maßgebliche Bestimmung lautet:

 

„Taggeld - Artikel 10

Taggeld bezahlen wir bei dauernder oder vorübergehender Invalidität. Die Leistung erfolgt für die Dauer der vollständigen Arbeitsunfähigkeit im Beruf oder in der Beschäftigung der versicherten Person für längstens 365 Tage innerhalb von 4 Jahren ab dem Unfalltag. [...]“

 

Der Kläger begehrt von der Beklagten Taggeld für die Zeit vom 1. 12. 2008 bis 19. 4. 2009 iHv 12.600 EUR. Die Wiener GKK habe dem Versicherungsnehmer eine vom 1. 9. 2008 bis 19. 4. 2009 andauernde Arbeitsunfähigkeit bestätigt. Der Begriff „Arbeitsunfähigkeit“ in der Taggeld-Klausel könne von einem Versicherungsnehmer nicht anders verstanden werden wie im Bereich der ASVG-Versicherung. Die Dauer der für den Taggeldanspruch maßgebenden Arbeitsunfähigkeit entspreche also der von der Krankenkasse bescheinigten Dauer. Einem Versicherungsnehmer stehe (schon) dann Taggeld zu, wenn er nicht imstande sei, seinen Beruf im vollen Ausmaß (zu 100 %) auszuüben.

 

OGH: Der OGH hat mittlerweile in der Entscheidung 7 Ob 82/11a die Frage der Auslegung der betreffenden Taggeld-Klausel beantwortet und die Ansicht des Klägers, der Begriff der Arbeitsunfähigkeit sei iSd Definition nach dem ASVG zu interpretieren, ausdrücklich abgelehnt. Nach der genannten Entscheidung setzt das in der zu beurteilenden Klausel geregelte Leistungsversprechen eines Taggelds neben einem die (dauernde oder vorübergehende) Invalidität des Versicherten bewirkenden Unfall voraus, dass der Versicherte unfallskausal vollständig arbeitsunfähig ist. Wie das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat, muss der Versicherte vollständig unfähig sein, irgendwelche Tätigkeiten seines beruflichen Aufgabenbereichs zu verrichten. Im Sinn der weiteren Erläuterungen des OGH kommt es nicht darauf an, ob der Versicherte in einem ihm möglichen, eingeschränkten Umfang tatsächlich gearbeitet hat oder ob - wie im vorliegenden Fall - im Hinblick auf seine eingeschränkte Einsatzfähigkeit eine als unzumutbar angesehene und vom Arbeitgeber daher auch nicht geforderte teilweise Berufsausübung ganz unterblieb.