VwGH: Änderung der natürlichen Abflussverhältnisse gem § 39 WRG und Erlassung eines wasserpolizeilichen Auftrages nach § 138 Abs 1 lit a WRG
Obwohl dem Wortlaut des § 39 WRG selbst keine diesbezügliche Beschränkung zu entnehmen ist, bezieht sich § 39 Abs 1 WRG grundsätzlich auf unverbaute, landwirtschaftlichen Zwecken dienende Grundstücke; die Beschränkung auf solche Grundstücke hat ihren Grund in der Annahme, dass die Ableitung der Niederschlagswässer auf Baugrundstücken und öffentlichen Verkehrsflächen in den Bauordnungen und in den Straßengesetzen geregelt ist; daraus folgt aber auch, dass dann, wenn baubehördliche Vorschriften für die Abwendung jener Gefahren, die aus der Änderung der natürlichen Abflussverhältnisse des Wassers bei bebauten Grundstücken resultieren können, keine Regelung treffen, § 39 WRG auch auf bebaute Grundstücke anzuwenden ist
§ 39 WRG, § 138 WRG
GZ 2010/07/0008, 10.11.2011
VwGH: Die Beseitigung einer gegen das Verbot des § 39 WRG verstoßenden Neuerung kann nicht nach dieser Gesetzesstelle, sondern nur gestützt auf § 138 WRG angeordnet werden. Das bedeutet, dass für einen auf § 138 WRG iVm § 39 leg cit gestützten wasserpolizeilichen Auftrag die Voraussetzungen beider Gesetzesbestimmungen gegeben sein müssen. Die Erlassung eines wasserpolizeilichen Auftrages im Grunde des § 39 WRG setzt eine willkürliche Veränderung der natürlichen Abflussverhältnisse voraus, die dann nicht vorliegt, wenn die Maßnahmen etwa durch eine wasserrechtliche Bewilligung gedeckt sind.
Der VwGH hat bereits ausgeführt, dass die Beschränkung der Anwendbarkeit des § 39 WRG auf landwirtschaftliche Grundstücke, die dem Wortlaut des § 39 WRG selbst nicht zu entnehmen ist, darin begründet ist, dass die Ableitung von Niederschlagswässern auf Baugrundstücken und öffentlichen Verkehrsflächen in den Bauordnungen und Straßengesetzen geregelt ist und aus diesem Normzweck und Regelungszusammenhang folgt, dass § 39 WRG dann, wenn (etwa) baubehördliche Vorschriften für die Abwendung jener Gefahren, die aus der Änderung der natürlichen Abflussverhältnisse des Wassers bei bebauten Grundstücken resultieren können, keine Regelung treffen, auch auf bebaute Grundstücke anzuwenden ist.
Eine Unanwendbarkeit des § 39 WRG scheidet in der verfahrensgegenständlichen Fallkonstellation bereits aus folgenden Überlegungen aus: Im vorliegenden Beschwerdefall geht es nicht um die Ableitung von Oberflächenwässern, die auf dem Straßenkörper der Gemeindestraße Grst Nr 492 anfallen. Vielmehr werden durch den Doppelrohrdurchlass dem Grst Nr 516 der mP Oberflächenwässer, die von den südlich der Gemeindestraße gelegenen Grundstücken stammen, auf Grund eines vom Süden nach Norden verlaufenden Gefälles zugeleitet. Bei diesen Grundstücken südlich der Gemeindestraße handelt es sich nach den Feststellungen des Amtssachverständigen für Wasserbau und Gewässerschutz in der Verhandlung des LH vom 3. September 2008 um als Acker genutzte landwirtschaftliche Flächen.
Die bf Partei bringt vor, dass die belangte Behörde nur die Widmung als Grünland festgestellt habe. Dies reiche jedoch nicht aus. Eine solche Feststellung sei noch dazu unrichtig, weil im geltenden Flächenwidmungsplan nur der südliche Teil des Grst Nr 516 als Grünland gewidmet sei, während der nördliche Teil, auf dem das Wohnhaus der mP situiert sei, im Bauland liege.
Der bef Partei ist zuzugestehen, dass es für die Anwendung des § 39 Abs 1 WRG ohne Bedeutung ist, welche Widmung für ein Grundstück im Flächenwidmungsplan besteht.
Anlässlich der mündlichen Verhandlung des LH am 3. September 2008 stellte der Amtssachverständige für Wasserbau und Gewässerschutz jedoch fest, dass der südliche Teil des Grst Nr 516 der mP "als Grünfläche genutzt" werde.
Mit dem in der Rsp des VwGH verwendeten Ausdruck "landwirtschaftlich" ist nur eine Abgrenzung zu verbauten, nicht (im weitesten Sinn) landwirtschaftlichen Zwecken dienenden Grundstücken gemeint.
Die vorliegend festgestellte Nutzung als Grünfläche ist als (im weitesten Sinn) landwirtschaftlichen Zwecken - in Abgrenzung zu verbauten Grundstücken - dienend anzusehen. Der südliche Teil des Grst Nr 516 der mP fällt in Ansehung seiner unverbauten Fläche als Grünlandnutzung somit in den Anwendungsbereich des § 39 WRG.
§ 39 WRG stellt zwar nicht auf "wesentliche" Änderungen der natürlichen Abflussverhältnisse ab, wohl aber auf solche, die für ein anderes Grundstück einen Nachteil herbeiführen. Ein solcher Nachteil ist Voraussetzung für einen Auftrag nach § 39 iVm 138 WRG.