07.02.2012 Verfahrensrecht

OGH: Kollisionskurator gem § 271 ABGB – begründet schon das Vorliegen einer Erbengemeinschaft zwischen Minderjährigem und gesetzlichem Vertreter einen Interessenwiderstreit?

Die bloße Tatsache, dass Mutter und Kinder als präsumtive Erben in Betracht kommen können, begründet vorerst nur eine formelle Kollision; ein konkreter Interessenkonflikt würde etwa auftreten, wenn tatsächlich widerstreitende Erbantrittserklärungen vorliegen sollten


Schlagworte: Familienrecht, Kollisionskurator, Bestellung, Interessenkonflikt, materielle Kollision, Verlassenschaft, Erbengemeinschaft, widerstreitende Erbantrittserklärungen
Gesetze:

§ 271 ABGB

GZ 2 Ob 153/11f, 22.12.2011

 

OGH: Ein Kollisionsfall iSd § 271 ABGB setzt voraus, dass eine materielle Kollision, nämlich eine konkrete Gefährdung der Interessen des minderjährigen Kindes vorliegt. Maßgeblich für das Erfordernis der Bestellung eines Kollisionskurators ist daher, dass aufgrund des objektiven Sachverhalts eine gesetzmäßige Vertretung des Kindes wegen eines zu befürchtenden Widerstreits an Interessen nicht zu erwarten ist. Dabei genügt schon die Gefahr einer Interessenkollision, wenn also eine Gefährdung der Interessen des Kindes bloß möglich ist.

 

Der Erblasser hinterließ eine als „Testamentserklärung“ bezeichnete letztwillige Anordnung, deren Formgültigkeit zwar fraglich ist, nach deren Inhalt aber sowohl die Kinder als auch deren Mutter bedacht worden sind. Bei dieser Sachlage stellt sich die Frage, ob nicht zumindest so lange die Gefahr einer das gesamte Verlassenschaftsverfahren betreffenden Interessenkollision besteht, als einander widersprechende Erbantrittserklärungen der Kinder und ihrer Mutter nicht auszuschließen sind. Im Zeitpunkt der Beschlussfassung erster Instanz lagen weder Erklärungen über den Erbantritt noch über die Ausschlagung der Erbschaft vor (§ 157 Abs 1 AußStrG). Nach der Aktenlage hat sich die Mutter bis jetzt ihres Erbrechts nicht entschlagen. Eine Frist nach § 157 Abs 2 AußStrG hat der Gerichtskommissär bisher nicht gesetzt.

 

Laut 1 Ob 568/79 = EvBl 1979/214 soll schon das Vorliegen einer Erbengemeinschaft zwischen Minderjährigem und gesetzlichem Vertreter einen  Interessenwiderstreit begründen, der die Bestellung eines Kollisionskurators erforderlich macht. Mondel verweist darauf, dass diese Ansicht auf veralteter Rechtslage beruhe und mangels Prüfung des Vorliegens einer materiellen Kollision nicht mehr aufrechterhalten werden könne.

 

Der Auffassung Mondels ist zuzustimmen. Die bloße Tatsache, dass Mutter und Kinder als präsumtive Erben in Betracht kommen können, begründet vorerst nur eine formelle Kollision. Dass die Mutter bisher entgegen den Interessen der Kinder gehandelt hätte, geht aus dem Akt nicht hervor. Ein konkreter Interessenkonflikt würde etwa auftreten, wenn tatsächlich widerstreitende Erbantrittserklärungen vorliegen sollten. Dann wäre (nur) für das Verfahren über das Erbrecht (§§ 160 ff AußStrG) ein Kollisionskurator (und gem § 173 AußStrG erforderlichenfalls ein Verlassenschaftskurator) zu bestellen. Aus der bloßen Existenz der „Testamentserklärung“ lässt sich hingegen (noch) keine materielle Interessenkollision ableiten.

 

Was nun die (geringe) Beteiligung der Lebensgefährtin des Verstorbenen an der GmbH anlangt, wäre ein Kollisionsfall in diesem Teilbereich allenfalls denkbar, wenn die Kinder, vertreten durch ihre Mutter, auch als Vertreter des Nachlasses fungieren würden, weil sie dann die vorerst auf den ruhenden Nachlass übergegangenen gesellschafterlichen Rechte und Pflichten (durch ihre Mutter) wahrzunehmen hätten. Dabei könnten auch den Geschäftsanteil des Erblassers betreffende Entscheidungen zu treffen sein (zur Ausübung des Stimmrechts durch den Verlassenschaftskurator vgl jüngst 6 Ob 99/11v mwN).

 

Derzeit ist aber jedenfalls auch im Teilbereich der Angelegenheiten der Gesellschaft kein Kollisionskurator erforderlich, weil die mit dem Geschäftsanteil des Erblassers verbundenen Rechte und Pflichten nicht durch die Kinder, sondern durch den bestellten Verlassenschaftskurator auszuüben sind.