OGH: Auskunftsrecht des Aktionärs gem § 112 AktG aF bzw § 118 AktG idF AktRÄG 2009 – streitiger oder außerstreitiger Rechtsweg?
Dass das Auskunftsrecht des Aktionärs gem § 118 AktG nF ein Individualrecht ist, ist kein ausreichendes Argument, die Sache ins streitige Verfahren zu verweisen
§ 118 AktG, § 14 AktG
GZ 6 Ob 155/11d, 12.01.2012
OGH: Dem Kläger ist zuzugestehen, dass die Mehrheit der Lehrmeinungen in der einschlägigen Kommentarliteratur die Meinung vertritt, das Auskunftsbegehren eines Aktionärs gem § 112 AktG aF bzw § 118 AktG sei mittels Leistungsklage durchzusetzen.
Diese Ansicht wird jedoch von sämtlichen Autoren (außer durch gelegentliche Zitierung von früheren einschlägigen Lehrmeinungen) nicht begründet. Ihr ist § 14 AktG als Zweifelsregel zu Gunsten des außerstreitigen Verfahrens entgegenzuhalten. Weiters ist auf die einzige ausführlich begründete Stellungnahme von Pucher/Zwick, Das Auskunftsrecht des Aktionärs nach dem AktRÄG 2009, wbl 2010, 54, zu verweisen.
Dass das Auskunftsrecht des Aktionärs gem § 118 AktG ein Individualrecht ist, ist kein ausreichendes Argument, die Sache ins streitige Verfahren zu verweisen. Nach zutreffender Ansicht ist nämlich die Gesellschaft aufgrund des Gleichbehandlungsgrundsatzes nach § 47a AktG verpflichtet, im Fall eines rechtskräftig zuerkannten Auskunftsanspruchs eines Aktionärs auch allen anderen Aktionären die betreffende Auskunft zu geben.
Für das außerstreitige Verfahren spricht weiters, dass auch sonst im Gesellschaftsrecht vorgesehene Einsichts- oder Informationsrechte von Gesellschaftern (oder Gesellschaftsgläubigern) durchwegs im außerstreitigen Verfahren durchzusetzen sind.
Schließlich spricht noch folgende Erwägung für das Außerstreitverfahren: Gem § 258 Abs 1 AktG sind die Vorstandsmitglieder oder die Abwickler ua zur Befolgung des § 118 Abs 1 AktG vom Gericht durch Zwangsstrafen bis zu 3.600 EUR anzuhalten. § 24 Abs 2 bis 5 FBG ist anzuwenden. Dieses Zwangsstrafenverfahren ist ein außerstreitiges Verfahren. Würde der Auskunftsanspruch des Aktionärs gem § 118 AktG dem Streitverfahren zugewiesen, bestünde die Gefahr divergierender Entscheidungen dahingehend, dass etwa ein Streitrichter das Auskunftsbegehren abweist, während ein anderer für das Außerstreitverfahren (Firmenbuchverfahren) zuständiger Richter über die Vorstandsmitglieder Zwangsstrafen gem § 258 Abs 1 iVm § 118 Abs 1 AktG verhängt. Fällt hingegen der Auskunftsanspruch des Aktionärs in das Außerstreitverfahren, so ist üblicherweise derselbe Richter sowohl für das Auskunftsbegehren als auch für die Verhängung der Zwangsstrafen nach § 258 AktG zuständig, wodurch Entscheidungsdivergenzen vermieden werden können.