VwGH: Betreten und Benutzung fremder Grundstücke gem § 72 WRG – Duldungspflicht iZm der Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes (Abs 1 lit f) und wasserpolizeilicher Auftrag gem § 138 Abs 1 lit a WRG
Das Antragsrecht auf Einleitung eines Verfahrens nach § 72 WRG kommt nur dem aus dem wasserpolizeilichen Auftrag Verpflichteten zu
§ 72 WRG, § 138 WRG
GZ 2011/07/0135, 10.11.2011
VwGH: Nach stRsp begründet § 72 Abs 1 WRG eine Legalservitut, die eine vorübergehende und die Substanz nicht beeinträchtigende Benutzung benachbarter Grundstücke ohne Zustimmung des betroffenen Eigentümers und ohne wasserrechtliches Verfahren ermöglicht. Allerdings kann diese Verpflichtung rechtens erst auf Grund eines die Duldungsverpflichtung konkret aussprechenden Bescheides umgesetzt werden.
Im Verfahren nach § 72 WRG zur bescheidmäßigen Konkretisierung ihrer Duldungspflicht können somit die von einer aufgetragenen Maßnahme betroffenen Dritten alle zur Abwendung der Duldungsverpflichtung geeigneten Einwände vorbringen, sodass es dem von der Umsetzung eines gewässerpolizeilichen Auftrages betroffenen Dritten im Verfahren über die Konkretisierung seiner Duldungspflicht rechtlich auch möglich ist, das Fehlen gesetzlicher Voraussetzungen für die Erlassung des in seine Rechte eingreifenden gewässerpolizeilichen Auftrages geltend zu machen, ohne dass ihm die Rechtskraft eines solchen Auftrages gegenüber seinem Adressaten entgegengehalten werden dürfte.
Für eine Parteistellung Dritter im Verfahren schon zur Erlassung eines gewässerpolizeilichen Auftrages besteht aus Rechtsschutzgründen kein Bedarf, sofern in einem gewässerpolizeilichen Auftrag nicht auch schon eine konkrete Duldungsverpflichtung des betroffenen Dritten unmissverständlich ausgesprochen wird.
Fehlt es an einer Beeinträchtigung von Rechten des Betroffenen kann kein wasserpolizeilicher Auftrag auf seinen Antrag hin erlassen werden. Ein Beseitigungsauftrag gem § 138 Abs 1 lit a WRG auf Verlangen des Betroffenen ist somit nur in jenem Umfang zulässig, als dies der Schutz seiner Rechte erfordert.
Nach LuRsp kommt demjenigen, über dessen Antrag ein Exekutionstitel geschaffen wurde, auch das Recht zu, einen Antrag auf Vollstreckung dieses Titels zu stellen. Im Vollstreckungsverfahren käme somit der Bf ein Antragsrecht zu.
Davon ist das vorliegende Verfahren nach § 72 WRG zu unterscheiden. Der Bf kommt - trotz gewisser Parallelen zur Konstellation im Vollstreckungsverfahren - kein eigenes Antragsrecht auf Einleitung eines solchen Verfahrens zu. Dieses steht im Verfahren nach § 72 WRG nur dem aus dem wasserpolizeilichen Auftrag Verpflichteten zu.
Die Bf hat jedoch in einem über Antrag des Verpflichteten eingeleiteten Verfahren nach § 72 WRG Parteistellung, damit sie eine abweisende erstbehördliche Entscheidung bekämpfen kann. Diese Parteistellung leitet sich aus der Eigenschaft als Betroffener nach § 138 Abs 6 WRG im zum Schutz der Rechte dieses Betroffenen erlassenen wasserpolizeilichen Auftrag nach § 138 Abs 1 lit a WRG ab.
Die rechtliche Betroffenheit des von einem wasserpolizeilichen Auftrag Begünstigten in einem Verfahren nach § 72 WRG zeigt sich zB schon daran, dass der zur Duldung zu Verpflichtende in der Lage ist, alles geltend zu machen, was gegen diesen Titel spricht, so etwa auch, dass der Begünstigte gar nicht Betroffener sei.
Der mit Stellungnahme vom 13. Dezember 2010 eingebrachte "Antrag" der Bf ist schließlich nicht als unzulässiger verfahrenseinleitender Antrag, sondern nur als Ausübung ihrer Parteistellungsrechte in einem bereits anhängigen Verfahren nach § 72 WRG anzusehen.