VwGH: „Schnuppertag“ und anschließende Aufnahme einer geringfügigen Beschäftigung bei der gleichen Firma – Beschäftigung iSd § 12 Abs 3 lit h AlVG?
Für eine dahingehend einschränkende Interpretation des § 12 Abs 3 lit h AlVG, dass ganztägige "Schnuppertätigkeiten" unberücksichtigt bleiben, besteht in Anbetracht des eindeutigen Wortlauts dieser verfassungsrechtlich unbedenklichen Bestimmung kein Raum
§ 12 AlVG, § 5 Abs 2 ASVG
GZ 2010/08/0168, 21.12.2011
Die Bf stand vom 3. Januar bis 30. April 2010 im Bezug von Arbeitslosengeld. Am 30. April 2010 gab sie beim AMS telefonisch bekannt, dass sie ab dem 1. Mai 2010 in einem Dienstverhältnis stehe.
Die Bf bringt vor, die Beschäftigungsmöglichkeit bei der S-OG selbst gefunden zu haben. Sie habe am 6. April 2010 bei dieser Firma lediglich Schnupperstunden absolviert; ab 8. April sei ein geringfügiges Dienstverhältnis vereinbart worden, welches sie dem AMS unverzüglich gemeldet habe, seit 1. Mai sei sie bei derselben Firma vollversichert beschäftigt.
Die Bf rügt eine unrichtige Anwendung von § 12 Abs 3 lit h AlVG. Dazu bringt sie vor, dass sie im Rahmen des absolvierten "Schnuppertages" während einer Zeit von acht Stunden (nur) einfache Hilfsdienste (wie Tellertragen) zur Unterstützung des Stammpersonals verrichtet habe, um so den Betrieb kennen zulernen, wofür sie eine einmalige Zahlung von EUR 35,-- erhalten habe. Die Bf vermeint, dass es sich somit dabei um keine die Arbeitslosigkeit beendende Beschäftigung gehandelt habe, sodass in Folge der Aufnahme einer geringfügigen Beschäftigung bei der gleichen Firma nicht die Rechtsfolgen der von der belangten Behörde angewendeten Bestimmung ausgelöst werden können.
VwGH: Soweit sich die Bf zu ihrer Argumentation zur "Schnuppertätigkeit" auf das Erkenntnis vom 17. Oktober 2007, 2006/08/0260, stützt, wonach "nicht jedes Dienstverhältnis bereits mit seinem Antritt die Arbeitslosigkeit beendet, sondern vielmehr eine gewisse Dichte in zeitlicher und einkommensmäßiger Hinsicht erreicht werden muss, um Arbeitslosigkeit auszuschließen", ist ihr entgegenzuhalten, dass sie nach ihrem Beschwerdevorbringen - im Gegensatz zu dem Fall, der dem von ihr ins Treffen geführten Erkenntnis zu Grunde lag - nicht bloß ein paar, sondern durchgehend acht Stunden und somit einen ganzen Arbeitstag lang bei der S-OG (einem Gastronomie- und Cateringservice) diese (Hilfs)Dienste (zum Kennen lernen) verrichtet habe. Selbst vor diesem Hintergrund begegnet es keinen Bedenken, wenn die belangte Behörde hinsichtlich dieses Tages das Vorliegen eines der Vollversicherungspflicht (gemeint wohl: nach dem ASVG) unterliegendes Dienstverhältnisses bejaht hat (und deshalb vom genannten Unternehmen zu Recht eine entsprechende Anmeldung der Bf als Arbeiterin beim Sozialversicherungsträger vorgenommen wurde).
Demnach stand die Bf am 6. April 2010 in einem vollversicherten Beschäftigungsverhältnis, an welches sich zwei Tage später eine geringfügige Beschäftigung beim selben Dienstgeber anschloss. Damit ist aber die vom Gesetzgeber angenommene Missbrauchsmöglichkeit des vom jeweiligen Bedarf des Arbeitgebers abhängigen Wechsels des Arbeitnehmers in ein geringfügiges Beschäftigungsverhältnis bei (teilweiser) Substitution des Entgeltausfalles durch Arbeitslosengeld indiziert. Für eine dahingehend einschränkende Interpretation des § 12 Abs 3 lit h AlVG, dass - wie von der Bf angestrebt - ganztägige "Schnuppertätigkeiten" unberücksichtigt bleiben, besteht in Anbetracht des eindeutigen Wortlauts dieser verfassungsrechtlich unbedenklichen Bestimmung kein Raum.