OGH: Senderecht – zum ORF-Privileg des § 17 Abs 3 letzter Satz UrhG
Die vollständige und inhaltlich unveränderte, lediglich technisch bedingt geringfügig zeitverzögerte Übermittlung der Fernsehprogramme des ORF im Inland mittels Streaming über ein UMTS-Mobilfunknetz gilt gem § 17 Abs 3 letzter Satz UrhG als Teil der ursprünglichen Rundfunksendung
§ 17 UrhG
GZ 4 Ob 68/11w, 22.11.2011
OGH: Mit der im gegenständlichen Verfahren ergangenen Provisorialentscheidung 4 Ob 6/09z schrieb der Senat die mit 4 Ob 89/08d begründete Rsp fort, wonach die vollständige und inhaltlich unveränderte, lediglich technisch bedingt und geringfügig zeitverzögerte Übermittlung von Fernsehprogrammen des ORF im Inland mittels Streaming über ein UMTS-Mobilfunknetz gem § 17 Abs 3 letzter Satz UrhG als Teil der ursprünglichen Rundfunksendung gilt. Gestützt auf diese Rsp haben die Vorinstanzen im Hauptverfahren das auf Untersagung der Sendung von Bild- und Tonaufnahmen der Spiele von Fußball-Ligen im Mobilfunknetz der Beklagten gerichtete Unterlassungsbegehren der Klägerin abgewiesen.
Die technologieneutrale Auslegung des § 17 Abs 3 letzter Satz UrhG ist in der Literatur teils zustimmend und teils ablehnend kommentiert worden.
Dem Argument, das ORF-Privileg des § 17 Abs 3 letzter Satz UrhG sei nicht mehr zeitgemäß und es sei weder historisch noch teleologisch auf „Handy-TV“ anwendbar, ist entgegen zu halten, dass die Bestimmung geltendes Recht ist und der Gesetzgeber dessen Änderung bislang nicht für erforderlich hielt. Sie ist auf aktuelle Sachverhalte anzuwenden. Die Bestimmung stellt den Versorgungsbereich des ORF, der sich auf das österreichische Bundesgebiet beschränkt, im Ergebnis frei. Sollte dieses Ergebnis - so die Argumentation der Klägerin - unerwünscht sein, weil sich die historischen Voraussetzungen dieser Privilegierung geändert haben, wäre der Gesetzgeber gefordert.
Die Bezugnahme der Klägerin auf den historischen Gesetzgeber des § 17 Abs 3 UrhG von 1980 kann ihrem Rechtsstandpunkt nicht zum Durchbruch verhelfen, zumal nicht zu unterstellen ist, dass dieser künftige Neuentwicklungen ausschließen wollte. So hat auch der historische Gesetzgeber von 1996 bei der Umsetzung der Satelliten- und Kabel-RL technische Weiterentwicklungen wie Mikrowellensysteme unter den Begriff der „Leitungen“ subsumiert. Allerdings kann der in Art 1 Abs 3 Satelliten- und Kabel-RL definierte Begriff der Kabelweiterverbreitung („durch Kabel- oder Mikrowellensysteme“) hier nicht als Prüfstein herangezogen werden, bezieht sich die RL doch lediglich auf die Kabelweiterverbreitung von Rundfunksendungen aus anderen Mitgliedstaaten (vgl Art 8 Abs 1 der RL). Hier folgt die technologieneutrale Auslegung der integralen Weitersendung von ORF-Programmen mithilfe von „Leitungen“ schon aus dem Umstand, dass die Verwendung eines TV-fähigen Mobiltelefons lediglich den Einsatz tragbarer Fernsehgeräte substituiert.
Weshalb das „Handy-TV“ kein Äquivalent zum „Fernsehen am Sofa“ (so die Revision) sein soll, ist nicht ersichtlich. Es kann nicht darauf ankommen, das Bild mehreren Personen zugleich zugänglich zu machen. Die separate Abgeltung einer zeitgleichen, vollständigen und unveränderten Übermittlung von Fernsehprogrammen des ORF im Inland mittels Streaming über ein UMTS-Mobilfunknetz führte überdies zu einer Doppelbelastung des Verbrauchers und - korrespondierend - zu einer möglichen Mehrfachvergütung der Urheber für dieselbe Leistung. Der Urheber hat mit Einräumung des Erstsenderechts jenen Betrag lukriert, der ihm als Abgeltung für den Werkgenuss des Rezipienten (der das Programm zeitgleich ja auch nur einmal empfangen kann) angemessen erscheint.