OGH: Testierunfähigkeit wegen mangelnder Besonnenheit gem § 566 ABGB
Die Testierfähigkeit fehlt, wenn der Erblasser zwar den Willen hat, ein Testament zu errichten und auch in der Lage ist, zu erkennen, dass er dies tut, die normale Freiheit seiner Willensbildung aber dennoch aufgehoben ist
§ 566 ABGB
GZ 6 Ob 206/11d, 13.10.2011
OGH: Zwar schließt nicht jede geistige Erkrankung die Testierfähigkeit aus, ebenso wenig eine bloße Abnahme der geistigen Kräfte. Die Testierfähigkeit fehlt allerdings, wenn der Erblasser zwar den Willen hat, ein Testament zu errichten und auch in der Lage ist, zu erkennen, dass er dies tut, die normale Freiheit seiner Willensbildung aber dennoch aufgehoben ist. Wird bewiesen, dass die Erklärung in einem die hiefür erforderliche Besonnenheit ausschließenden Zustand, wie dem einer psychischen Krankheit, einer geistigen Behinderung oder der Trunksucht geschehen sei, so ist sie gem § 566 ABGB ungültig. In diesem Sinne hat der OGH etwa die Testierfähigkeit in einem Fall bejaht, in dem auffällige Verhaltensweisen des Erblassers zwar Rückschlüsse auf die Struktur einer insgesamt schwierigen Persönlichkeit und auch fallweise konstitutionell bedingte Verwirrtheitszustände zuließen, nicht jedoch auf so weitgehende verstandesmäßige Einbußen, dass Demenz anzunehmen sei.
Die Anwendung der Rsp des OGH, unter welchen Voraussetzungen von der Testierfähigkeit des Erblassers auszugehen ist, auf den konkret zu beurteilenden Sachverhalt ist regelmäßig eine Frage des jeweiligen Einzelfalls.
Im vorliegenden Fall lag bei der Erblasserin seit dem Jahr 2003 eine demenzielle Entwicklung vor; hinzu kamen immer wieder auftretende Depressionen. Darüber hinaus litt die Erblasserin nach erfolgter Brustkrebsoperation an Knochenmetastasen und einer Tumoranämie. Außerdem litt die Erblasserin immer wieder an Austrocknung sowie an starken Zahnschmerzen. Nach den Feststellungen des Erstgerichts war die Erblasserin nicht mehr in der Lage, ihre Entscheidungen zu halten; ihre Urteilsfähigkeit war stark herabgesetzt. Sie konnte komplexe Inhalte nicht mehr erfassen, war leicht zu beeinflussen und wollte Konflikten aus dem Weg gehen. Sie überblickte weder ihr Vermögen noch die Konstruktion der Privatstiftung.
Wenn bei dieser Sachlage das Rekursgericht davon ausging, der Erblasserin sei nicht mehr die nach § 566 ABGB erforderliche „Besonnenheit“ zuzubilligen, so ist darin keine vom OGH im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erblicken. Auf die Frage, ob der Erblasserin überdies die Testierabsicht mangelte, ihr Schreiben an den Revisionsrekurswerber daher als bloße Ankündigung einer beabsichtigten Erbeinsetzung zu verstehen sei, kommt es daher im vorliegenden Fall nicht an.