OGH: Grundsätze des Finanzierungsleasings
Beim Finanzierungsleasing gehört jedenfalls die erstmalige Verschaffung des ordnungsgemäßen Gebrauchs des Leasingobjekts zur unabdingbaren Hauptverpflichtung des Leasinggebers, den auch die Sachgefahr vor Lieferung trifft; für die Zeit nach ordnungsgemäßer Übergabe trifft den Leasingnehmer nach der typischen Vertragsgestaltung die volle Sachgefahr; diese Risikotragung ist - sofern der Leasingnehmer wenigstens jene Rechte hat, die einem Käufer zukommen - nicht an sich sittenwidrig
§ 1090 ABGB, § 1053 ABGB, §§ 922 ff ABGB, § 879 ABGB
GZ 7 Ob 173/10g, 11.05.2011
OGH: Das Finanzierungsleasing ist eine Form der Investitionsfinanzierung, bei dem an Stelle des Eigentumserwerbs an den Anlagegütern die bloße Gebrauchsüberlassung tritt. Der Leasinggeber erwirbt eine den Wünschen des Leasingnehmers, der das Leasinggut seinerseits bei einem Dritten ausgesucht hat, entsprechende Sache, um sie diesem für bestimmte Zeit zum Gebrauch zu überlassen. Im Übrigen übernimmt der Leasinggeber nur die Finanzierungsaufgabe und trägt das Kreditrisiko, also das Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Leasingnehmers. Der Leasinggeber ist durch sein Eigentum an der Sache gesichert. Typischerweise ist die Vertragsgestaltung im Interesse des Leasinggebers auf eine Amortisation des eingesetzten Kapitals zuzüglich Finanzierungskosten und angemessenen Gewinn gerichtet. Dabei wird dieses Ziel beim Vollamortisationsleasing dadurch erreicht, dass der Vertrag bis zu einem bestimmten Zeitpunkt unkündbar ist (Grundlaufzeit) und die Summe der bis dahin zu entrichtenden Raten alle Aufwendungen für die Anschaffung und Refinanzierung sowie einen Gewinn abdeckt. Beim sog Teilamortisationsleasing wird die angestrebte volle Amortisation dadurch gewährleistet, dass neben der Summe der Leasingraten auch der erwartete oder kalkulierte Restwert des Leasingguts eine maßgebliche Rolle spielt. In diesem Fall hat der Leasingnehmer entweder das Leasinggut zum vereinbarten Restwert zu übernehmen oder unabhängig davon dem Leasinggeber den kalkulierten Restwert zu garantieren. Der Leasingnehmer trägt das Risiko der Wertminderung. Ihm kommt dafür auch eine allfällige Wertsteigerung (Zeitwert über dem kalkulierten Restwert) zu Gute.
Finanzierungsleasingverträge werden teils als Sachüberlassungsverträge eigener Art, teils als atypische Mietverträge, aber auch als Verträge mit kauf- und kreditvertraglichen Elementen qualifiziert. Maßgeblich ist die individuelle Vertragsgestaltung. Je nach dieser Ausgestaltung ist die Frage zu beantworten, ob die Elemente des Kaufs oder der Miete überwiegen oder ob - wegen der herrschenden Vertragsfreiheit denkbar - ein Vertrag sui generis vorliegt. Eine generelle Heranziehung der gesetzlichen Vorschriften über den Bestandvertrag kommt jedenfalls für das mittelbare Teilamortisationsleasing nicht in Betracht.
Nach stRsp und hL gehört beim Finanzierungsleasing jedenfalls die erstmalige Verschaffung des ordnungsgemäßen Gebrauchs des Leasingobjekts zur unabdingbaren Hauptverpflichtung des Leasinggebers, den auch die Sachgefahr vor Lieferung trifft. Der Leasinggeber hat daher dafür einzustehen, dass sich die Sache zu Beginn des Leasingverhältnisses im brauchbaren Zustand befindet. Wenngleich sich der Leasinggeber ähnlich dem drittfinanzierten Kauf wirtschaftlich der Rolle des Kreditgebers annähert, schließt der Leasingnehmer keinen Kaufvertrag mit dem Lieferanten ab. Ihm stehen daher gegenüber dem Lieferanten weder Eigentumsverschaffungsansprüche noch eigene vertragliche Gewährleistungsansprüche noch steht ihm ein Anspruch auf Gebrauchsüberlassung zu. Aber auch eine Kredit- oder Darlehensgewährung durch den Leasinggeber erfolgt nicht. Vielmehr besteht die vertragliche Hauptverpflichtung des Leasinggebers darin, dem Leasingnehmer ein zum vereinbarten Gebrauch taugliches Leasinggut zur Verfügung zu stellen. Es ist daher sachgerecht, entgegenstehende Vereinbarungen, die diese erstmalige Hauptverschaffungspflicht des Leasinggebers abbedingen, selbst wenn die Käuferrechte dem Leasingnehmer abgetreten werden, als Verstoß gegen § 879 ABGB zu beurteilen. Die Äquivalenz im Leasingvertrag wäre schwer gestört, wenn der Leasinggeber bei Nichtbeschaffung der Leasingsache und damit bei Nichterfüllung der Hauptleistungspflicht von der Pflicht zur Gebrauchsgewährung befreit wäre, der Leasingnehmer aber dennoch das Leasingentgelt leisten müsste. Auch die Auswahl des Lieferanten durch den Leasingnehmer ändert nichts an der Pflicht des Leasinggebers, dem Leasingnehmer die Gebrauchsmöglichkeit zu verschaffen. Der Leasinggeber hat somit dafür einzustehen, dass sich die Sache bei Beginn in einem brauchbaren Zustand befindet. Für die Zeit nach ordnungsgemäßer Übergabe des Leasingguts stellt jedoch nach stRsp die Verschiebung des Gefahrenrisikos auf den Leasingnehmer ähnlich wie auf einen Käufer ein Wesensmerkmal des Leasingvertrags dar. Diese Risikotragung ist - sofern der Leasingnehmer wenigstens jene Rechte hat, die einem Käufer zukommen - nicht an sich sittenwidrig. Den Leasingnehmer trifft also nach der typischen Vertragsgestaltung die volle Sachgefahr. Er hat die Leasingraten zu entrichten, auch wenn das erworbene Gut beschädigt oder zerstört wird.