16.06.2011 Zivilrecht

OGH: Unterlassungserklärung und Wiederholungsgefahr nach § 28 Abs 2 KSchG

Lehnt die Beklagte eine Unterwerfungserklärung hinsichtlich der Verwendung sinngleicher Vertragsklauseln ab, bietet sie damit keine ausreichende Sicherheit gegen die Wiederholung von Gesetzesverstößen und beseitigt die Wiederholungsgefahr nicht; der Entwurf von neuen AGB schließt die Wiederholungsgefahr nicht aus, weil damit nicht gewährleistet ist, dass die Weiterverwendung der alten Fassung unterlassen wird; dem Gesetz kann nicht entnommen werden, ein Abmahnverfahren sei Voraussetzung für einen Unterlassungsanspruch


Schlagworte: Konsumentenschutzrecht, Verbandsklage, Unterlassungserklärung, Wiederholungsgefahr, Verwendung sinngleicher Vertragsklauseln, Entwurf von neuen AGB, Abmahnung
Gesetze:

§ 28 KSchG

GZ 7 Ob 173/10g, 11.05.2011

 

Der Kläger bringt vor, dass die Beklagte in ihrem Schreiben vom 12. 6. 2007 keine uneingeschränkte Unterlassungserklärung abgegeben habe. Dies indiziere das Vorliegen der Wiederholungsgefahr. Weigere sich der Unternehmer, eine Unterlassungserklärung auch hinsichtlich sinngleicher Klauseln abzugeben, werde dadurch die Wiederholungsgefahr nicht beseitigt. Im Übrigen sei das Abmahnverfahren nicht obligatorisch.

 

Die Beklagte stützt sich darauf, dass zum Zeitpunkt der Klagseinbringung bereits die neuen AGB Juni 2007 in Kraft gewesen seien. Die AGB Mai 2003 seien auf Grund der Abmahnung des Klägers umfassend überarbeitet und dem Kläger fristgerecht und vor Klagseinbringung mit Schreiben vom 12. 6. 2007 zusammen mit einer Unterlassungserklärung mit Vertragsstrafenvereinbarung übermittelt worden, sodass insgesamt keine Wiederholungsgefahr mehr bestehe, soweit die Klauseln nicht beibehalten worden seien. Der Beklagten sei eine Aufbrauchsfrist für Altformulare bis 31. 8. 2007 zugestanden worden. Der Kläger hätte seiner Klage nur die derzeit gültigen AGB der Beklagten zu Grunde legen dürfen. Der Kläger hätte bei der Abmahnung die Unterlassung für einzelne, konkret bezeichnete Bedingungen begehren müssen und nicht pauschal für alle Vertragspunkte. Es liege daher keine rechtsgültige Abmahnung vor, woraus sich die Rechtsmissbräuchlichkeit der Klagsführung ergebe.

 

OGH: Der OGH hat mehrfach ausgesprochen, dass keine vollständige Unterwerfung unter den Anspruch einer gem § 29 KSchG klageberechtigten Einrichtung vorliegt, wenn der Verwender von AGB seiner nach Abmahnung gem § 28 Abs 2 KSchG abgegebenen Unterlassungserklärung neu formulierte Ersatzklauseln mit dem Bemerken beifügt, diese seien von der Unterlassungserklärung ausgenommen. Die Wiederholungsgefahr wird dadurch nicht beseitigt. Darauf, ob die neuen Klauseln im Verhältnis zu den beanstandeten Klauseln „sinngleich“ sind, kommt es nicht an. Die Vorgangsweise widerspricht dem Zweck des § 28 Abs 2 KSchG, der auf eine für beide Teile kostengünstige und die Gerichte entlastende Bereinigung der Angelegenheit und die Schaffung von Rechtssicherheit für beide Seiten ausgerichtet ist. Es ist ausschließlich Sache des Verwenders der AGB, für deren gesetzmäßigen Inhalt zu sorgen.

 

Auf die Kritik der Lehre an der Rsp, dass selbst der Vorbehalt von nicht sinngleichen zulässigen Ersatzklauseln Wiederholungsgefahr begründet, ist nicht weiter einzugehen:

 

Nur durch die vollständige Unterwerfung unter den Anspruch einer gem § 29 KSchG klageberechtigten Einrichtung kann die Wiederholungsgefahr beseitigt werden. Lehnt die Beklagte eine Unterwerfungserklärung hinsichtlich der Verwendung sinngleicher Vertragsklauseln ab, bietet sie damit keine ausreichende Sicherheit gegen die Wiederholung von Gesetzesverstößen und beseitigt die Wiederholungsgefahr nicht. Wer im Prozess zu erkennen gibt, dass es ihm nicht um die Vermeidung von Rechtsverletzungen zu tun ist, kann sich auf das Fehlen der Wiederholungsgefahr nicht berufen. Bei der Prüfung der Wiederholungsgefahr darf nicht engherzig vorgegangen werden. Diese liegt schon im Fortbestehen eines Zustands, der keine Sicherung gegen weitere Rechtsverletzungen bietet. Wiederholungsgefahr ist daher auch anzunehmen, wenn der mit der Unterlassungsklage Belangte sein Unrecht nicht einsieht.  Hat der Unternehmer unzulässige Klauseln verwendet, wird die Wiederholungsgefahr vermutet.

 

Die Beklagte gab ihre Unterlassungserklärung nicht unbedingt ab, sodass sie schon nach diesen Grundsätzen nicht geeignet ist, den Wegfall der Wiederholungsgefahr zu bewirken: Sie weigerte sich, eine Unterlassungserklärung hinsichtlich sinngleicher Klauseln abzugeben; sie stellte klar, dass für bereits geschlossene Verträge mit Verbrauchern und solche, die auf Basis der Altformulare bis 31. 8. 2007 abgeschlossen würden, die von ihr eingeräumten Abänderungen nur „sofern möglich und tunlich“ anzuwenden seien; sie nannte nicht nur als Grundlage und Voraussetzung der Unterlassungserklärung die Anerkennung der Ersatzklauseln, sondern forderte sogar einen „Freibrief“ für künftige Überarbeitungen und Abänderungen, sofern nur nicht die von ihr aufgegebene Form und Textierung Wiederverwendung fänden. Abgesehen davon beharrt die Beklagte auch noch (bis auf wenige Ausnahmen) im Prozess darauf, dass die beanstandeten Klauseln der AGB Mai 2003 ohnehin dem Gesetz entsprächen. Es ist also durch nichts zu erkennen, dass die Beklagte die Rechtswidrigkeit ihres Verhaltens einsieht, geschweige denn, dass sie ihr Verhalten aufgeben wird.

 

Der Entwurf von neuen AGB schließt die Wiederholungsgefahr nicht aus, weil damit nicht gewährleistet ist, dass die Weiterverwendung der alten Fassung unterlassen wird. Der Kläger hat daher zu Recht die AGB Mai 2003 zum Gegenstand der Prüfung im Prozess gemacht.

 

Der OGH hat bereits ausgesprochen, dass dem Gesetz nicht entnommen werden kann, ein Abmahnverfahren sei Voraussetzung für einen Unterlassungsanspruch, sei also obligatorisch. Da ein Abmahnverfahren vor Klagsführung nicht vorgeschrieben ist, muss nicht geprüft werden, ob das hier durchgeführte „ordnungsgemäß“ war. Von einer rechtsmissbräuchlichen Klagseinbringung durch den Kläger kann jedenfalls keine Rede sein.